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So gehen die Diebe nicht mehr ihrem Laster nach

Eine neue Spezialplane verhindert, dass Lastwagen ausgeraubt werden.

F.A.Z.

5.04.2018

Tim Meder

Schadow-Gymnasium, Berlin

Es ist düster, kalt und nass. Ein dunkler Kleintransporter fährt auf den Parkplatz. Zwei Personen steigen aus. Der Fahrer bleibt sitzen. Die vermummten Gestalten bewegen sich zielstrebig auf einen parkenden Lastwagen zu. Die eine Person zückt ein Messer und sticht in die Lkw-Plane. Nach kurzer Zeit ist der Auflieger leer geräumt, und die Diebe sind fort. Solche und ähnliche Übergriffe finden auf Autobahnparkplätzen statt. Die meisten Diebe entkommen unbemerkt und werden auch später nicht geschnappt.

Nach Angaben einer Studie des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG), das sich auf Zahlen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft beruft, belaufen sich die direkten Schäden in Deutschland auf rund 300 Millionen Euro im Jahr. Die Dunkelziffer liegt noch viel höher. Und die volkswirtschaftlichen Folgeschäden belaufen sich auf ein Vielfaches der entwendeten Fracht. Diesen sogenannten Planenschlitzern hat die Alarmplane.de GmbH den Kampf angesagt. Das Unternehmen aus Geestland entwickelte eine Vorrichtung, die Diebe abschrecken soll.

Die Planenschlitzer gehen meistens nach dem gleichen Schema vor: Sie suchen sich ein Ziel und schneiden dann ein kleines Loch in die Plane der Lkw-Auflieger. Durch dieses wird die mögliche Beute ausgekundschaftet. Ist die Ladung für die Diebe interessant, wird der Auflieger leer geräumt, und die Diebe verschwinden genauso schnell, wie sie gekommen sind. Da dies in der Regel nachts auf Autobahnparkplätzen mit nur spärlicher Beleuchtung geschieht, bleiben die Täter meist unentdeckt.

Alarmplane.de hat ein Drahtnetz entwickelt, das an den Lastwagenplanen angebracht wird. Nach Angaben des Unternehmens werden die einzelnen Segmente auf die bisher vom Spediteur verwendete Plane aufgeschweißt. Die Stromversorgung der Plane ist dabei unabhängig vom Bordnetz des Lastwagens. „Die Plane funktioniert mit einer separaten Stromversorgung über eine Batterie. Eine eigens entwickelte Software in dem Mikrocontroller führt dazu, dass der Stromverbrauch so gering ist, dass die Plane eine Laufzeit von etwa drei Jahren ohne notwendiges Nachladen des Akkus hat“, erklärt Andreas Gießler, der Geschäftsführer der Alarmplane.de GmbH. Sobald dieser separate Stromkreis durch das Zertrennen des Drahtnetzes unterbrochen wird, wird ein akustischer oder optischer Alarm ausgelöst. Die Alarmplane schützt auch den Fahrer, da die Diebe diesen manchmal angreifen, wenn er den Raub bemerkt und einschreiten will.

Die Plane wird bereits international vertrieben. „Die fünf größten Logistiker der Welt setzen die Alarmplane schon ein oder testen sie“, berichtet Gießler. Sie und andere Kunden berichteten von positiven Erfahrungen. Er habe auch Anfragen von Apple und Google erhalten. Insgesamt wurden fast 3000 Systeme beziehungsweise Lizenzrechte für den Nachbau des Systems verkauft. Bei einem durchschnittlichen Stückpreis von rund 2000 Euro bedeute dies einen Umsatz von fast 6 Millionen Euro im Zeitraum von Mai bis November 2017, sagt Gießler. Direkt mit dem ersten Auftrag habe er 1000 Systeme an einen großen Kunden aus Dubai verkauft. Das sei für den ersten Auftrag großartig gewesen.

Auch Versicherungen kaufen das Produkt. Die Kravag-Logistic Versicherungs-AG biete ihren Kunden einen Pauschalnachlass von 10 Prozent, wenn die Auflieger mit der Alarmplane geschützt würden, berichtet Gießler. Dies könne einen Preisnachlass von 400 bis 600 Euro bedeuten. Wenn Spediteure ihre Auflieger mit der Alarmplane ausrüsten ließen, erhielten sie eine Förderung vom Bundesamt für Güterverkehr. Über das Förderprogramm „De-minimis“ bekämen sie 80 Prozent der Umbaukosten erstattet, erklärt Gießler. So müsse der Spediteur nur noch knapp 400 Euro selbst aufbringen. Da das System im Schnitt sieben bis acht Jahre halte, habe es sich nach etwa 11 Monaten aufgrund der eingesparten Versicherungsprämien refinanziert. Ab einem Jahr entstehe ein Gewinn, weil von dann an ein Teil der Versicherungsprämien eingespart werde.

Skeptisch gegenüber Alarmplanen äußern sich hingegen Philip Newby und Heinz Brockmann von der Brinck Spedition GmbH in Emsdetten. Viele Planenschlitzer seien in organisierten Banden unterwegs; diese wüssten oft genau, welcher Lastwagen welche Ware transportiere und würden sich vermutlich nicht abschrecken lassen von einer Erfindung wie der Alarmplane, glauben die beiden. Gegen solche Banden wären wohl nur Kofferzüge wirksam, die teilweise mit GPS ausgestattet sind. Kofferzüge sind Lkw-Auflieger, die komplett aus Metall bestehen. Einige Versicherungen bestünden darauf, dass hochsensible Waren wie Laptops und Zigaretten in Kofferzügen transportiert würden, erklären Newby and Brockmann. Sie können nicht aufgeschlitzt werden.

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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