In Tokio gibt es 34 Kindergärten, in denen die Kinder mit Drehorgeln empfangen, in die Pause geschickt und verabschiedet werden“, erzählt Kai Rafeldt. Es ertönen japanische und deutsche Kinder- und Volkslieder - auf den Leierkästen der Deleika GmbH aus dem fränkischen Dinkelsbühl. Besonders beliebt seien das „Kirschblütenfest“ und „Ein Männlein steht im Walde“, sagt der Geschäftsführer von Deleika. In dem Unternehmen arbeiten sieben Mitarbeiter. Ein Werbebüro schlug den Name Deleika vor, was Deutscher Leierkasten heißt und auf der ganzen Welt gut auszusprechen ist.
Wenn Rafeldt die Drehorgeln vorstellt, führt er Gäste zuerst in sein Museum mit rund dreißig Drehorgeln. Er führt ihr Prinzip an einer Glasorgel vor und legt einen Lochstreifen ein. Zur Einstimmung spielt er zum Beispiel den Radetzky-Marsch; das ist die Nummer 61 mit einem Tonumfang von zwanzig Tönen. Das System mit dem Namen Gefi Nobatronic hat das Unternehmen schützen lassen. Es verbindet das herkömmliche Notenband mit Elektronik und überlässt dem Spieler die Wahl zwischen dem altbekannten Spielen mit Lochband oder der Auswahl aus einem der tausend möglichen Lieder, die auf einem „Memory“ gespeichert sind. Das Instrument spielt trotz elektronischen Liedspeichers rein mechanisch, wie vor 200 Jahren. Die Elektronik des Gefi-Systems ersetzt allein die Aufgabe des Notenbands. Der Drehorgler kann auf Knopfdruck bis zu 1700 gespeicherte Melodien abrufen. Das Tempo bestimmt er durch das Ankurbeln. Einzigartig bei Deleika ist, dass dies auch für das Spielen eines elektronisch gespeicherten Liedes gilt.
Beim Andrehen der Kurbel wird der Blasebalg betätigt, und Wind gelangt zum Luftverteiler. Hier reguliert das Notenband die Luftzufuhr zu den Pfeifen, und eine Melodie entsteht. An den Stellen, an denen die Pfeifen erklingen sollen, enthält der Streifen ein kleines Loch. Je nach Größe des Leierkastens gibt es auch breitere Notenbänder mit bis zu 36 Tonstufen.
Die Lieder auf dem Memory kosten 15 Euro und auf dem Notenband 49 Euro. Deleika muss keine Gebühren bezahlen, um ein Notenband von dem Lied eines aktuellen Künstlers herstellen zu dürfen. Musiker, die beruflich vor einem Publikum aktuelle Lieder spielen, müssen freilich Gebühren an die Verwertungsgesellschaft Gema abführen.
Durch die Erfindung des Gefi-Systems schaffte es das bayerische Unternehmen an die Spitze und ist nach Angaben des Geschäftsführers Weltmarktführer im Drehorgelbau. International habe man drei Mitbewerber. Man erziele einen jährlichen Umsatz, der von einer mittleren sechsstelligen bis zu einer kleinen siebenstelligen Zahl reichen kann.
Rafeldt spielt seinen Gästen auf einer größeren Konzertorgel „Tico Tico“ vor. Es ertönt mit 36 Tonstufen in vollem Klang. Zwei mitlaufende Trommeln, ein Xylophon und ein Becken sorgen für einen vollen Orchestersound. Die meistverkaufte Drehorgel habe eine Tonfülle von 26 Tonstufen, sagt Rafeldt. Die Preisspanne für eine serienmäßige Drehorgel liegt zwischen 1695 Euro und 38 250 Euro. Der Preis für eine individuell gefertigte Drehorgel mit Intarsiengehäuse und weiterem Zubehör beginnt bei 40 000 Euro und kann bis zu sechsstellig sein.
Das kleine Unternehmen am Dorfrand von Dinkelsbühl-Waldeck produziert nach Angaben von Rafeldt durchschnittlich 150 bis 200 Orgeln im Jahr. Die Herstellung einer Drehorgel kann Monate dauern, weil fast alles in Handarbeit gefertigt wird. Besonders aufwendig ist die Fertigung der Pfeifen. Die teuren Intarsiengehäuse werden als einziger Bestandteil nicht in Dinkelsbühl hergestellt, sondern aus Italien angeliefert.
Eine Hochkonjunktur im Drehorgelbau herrschte von 1990 bis 2000. Man habe jedes Jahr rund 350 Instrumente verkauft. Die Generation, die mit der Drehorgel aufgewachsen ist und sich eine Drehorgel ins Wohnzimmer stellt, wird aber immer älter. Deleika muss neue Kundengruppen in den Blick nehmen. Über die Nürnberger Spielwarenmesse schaffte man es auf den asiatischen Markt und erzielte 2012 die bisher besten Verkaufszahlen in Japan. Nun plant man, den chinesischen Markt mit Drehorgeln „made in Germany“ zu beliefern.