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Wie die industrielle Röntgentechnik Menschenleben rettet.

F.A.Z.

3.01.2019

Svenja Benkert

Johanneum zu Lübeck, Lübeck

Ich wollte nur Software machen, niemals Maschinenbau, niemals Elektronik und niemals viele Mitarbeiter führen“, sagt Hajo Schulenburg, der Gründer und Geschäftsführer der Visiconsult X-ray Systems & Solutions GmbH aus Stockelsdorf in Schleswig-Holstein. Doch es kam anders: Visiconsult ist nach seinen Angaben in der Produktion von Spezialanlagen für die zerstörungsfreie Werkstoffprüfung durch Röntgen auf der Welt führend. Man stellt mit fast 80 Mitarbeitern etwa 100 bis 150 Maschinen im Jahr her.

Die Produkte lassen sich in drei Gruppen einteilen: zerstörungsfreie Werkstoffprüfung, automatisches Zählen von Elektronikkomponenten und Security. Der Bereich der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung macht 60 Prozent des Umsatzes aus. Die Geräte dienen dazu, Bauteile mit Röntgenstrahlung auf Mängel zu untersuchen. Solche Untersuchungen sind vor allem für Gussteile von großer Bedeutung. Geprüft werden zum Beispiel die Räder von Zügen. „Ich glaube, dass die zerstörungsfreie Materialprüfung mehr Leben rettet als die Radiologie in der Klinik“, sagt Thorsten Buzug, Leiter des Instituts für Medizintechnik der Universität Lübeck, mit dem Visiconsult zur Verbesserung der Röntgenverfahren kooperiert.

Visiconsult-Maschinen werden auch von den Flugzeugherstellern Boeing und Airbus genutzt, berichtet Lennart Schulenburg, Verkaufs- und Marketingleiter und Sohn von Hajo Schulenburg. Die Automobilbranche muss ebenfalls solche Kontrollen durchführen; BMW und Audi sowie Zulieferer wie Continental und Bosch gehören zu den Kunden. „Visiconsult ist Weltmarktführer im Bereich der kundenspezifischen Sonderlösungen“, sagt Hajo Schulenburg.

Ein Kunde ist die Ohm & Häner Metallwerk GmbH & Co. KG mit Sitz in Olpe. Für die Kontrolle von großen und schweren Gussteilen für die indische Staatsbahn war eine hundertprozentige Sicherheitsprüfung notwendig. Laut Mitinhaber Ludger Ohm ist Visiconsult das einzige Unternehmen gewesen, das eine solche Lösung angeboten habe.

Wenn Teile so groß sind wie Flugzeugflügel und Ölpipelines, bleiben sie am Ort, und es werden Röntgenröhre und Detektor um sie herum gefahren. Um Maschine und Objekt wird ein Bunker errichtet, dessen etwa 50 Zentimeter dicken Wände die Röntgenstrahlung abschirmen. Während die Preise für Standard-Röntgenkabinen bei etwa 100000 Euro liegen, kosten solche Spezialanfertigungen bis zu 2 Millionen Euro. Nach Angaben der Geschäftsleitung hat sich der gesamte Umsatz von 4 Millionen Euro 2014 auf voraussichtlich 16 Millionen Euro im Jahr 2018 vervierfacht.

Auf den Geschäftsbereich automatisiertes Zählen von Elektronikkomponenten entfallen 30 Prozent; dort werden jährlich etwa 75 Maschinen hergestellt. Per Röntgen erkennt die Software die vorhandenen Bauteile und zählt sie. Nach Angaben Visiconsults ist die XRHCount das schnellste röntgenbasierte System zum Zählen von Komponenten auf der Welt. Der dritte Bereich, Security, ist die Herstellung tragbarer Röntgenkabinen zum Aufspüren verdächtiger Objekte wie Bomben. „Mit nahezu 100 Prozent Marktanteil in Deutschland kommen unsere Systeme bei fast jedem Bombenverdacht zum Einsatz“, berichtet Lennart Schulenburg. Anwender seien Sondereinsatzkommandos, Grenzschützer, Streitkräfte und Geheimdienste wie der BND.

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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