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Rache ist nicht immer süß

Als Cola für einige Kunden geschmacklos wurde

F.A.Z.

4.02.2016

Clarissa Seidel

Kardinal-Frings-Gymnasium, Bonn

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser? Für das Unternehmen Premium aus Hamburg gilt das nicht. Dort gibt es keine schriftlichen Verträge - alles basiert auf Vertrauen. "Wer gehen will, soll gehen dürfen", sagt Mitbegründer Uwe Lübbermann. Trotz dieses Prinzips gab es in 14 Jahren keinen Rechtsstreit. Premium verkauft Cola und Bier.

Als Lübbermann 1999 in der Badewanne lag und seine damalige Lieblingscola Afri-Cola trank, merkte er, dass sie anders schmeckte, auf der Flasche aber keine Rezepturveränderung vermerkt war. Er fuhr nach Köln zu Afri-Cola und erfuhr, dass die Marke verkauft und der Koffeingehalt herabgesetzt sowie der Zuckergehalt erhöht worden war, um das Produkt massenverträglicher zu machen. Die mangelnde Kommunikation störte Lübbermann; mit Freunden gründetet er 2001 die Interessengruppe Premium. Man wollte Afri-Cola dazu bewegen, das frühere Rezept wiedereinzuführen.

Schließlich spielte ihm ein Hersteller eine Rezeptur von Afri-Cola aus dem Jahr 1931 zu. Er produzierte für Lübbermann 1000 Flaschen. Afri-Cola habe dies toleriert; doch musste man Apfel- durch Phosphorsäure ersetzen, was geschmacksneutral war. Nach und nach wurden immer mehr Flaschen abgefüllt, und die Treffen des Kollektivs, die im ersten Jahr in einem Club in Hamburg stattfanden, mussten ins Internet verlegt werden. Später stellte man dann auch Bier her. Man brauchte ein zweites Standbein.

Im Kollektiv von Premium, zu dem Händler, Transporteure und Kunden gehören, herrscht Konsensdemokratie: Bei einer Gegenstimme wird ein Vorschlag verworfen. Dies komme aber nur alle paar Monate vor, sagt Lübbermann. Jeder, der schon einmal Premium Cola getrunken hat und von einem Kollektivisten freigegeben wurde, kann Mitglied des Kollektivs werden. In ihm sind etwa 150 Personen aktiv, die Hälfte sind gewerbliche Partner, die andere Hälfte Konsumenten. Normalerweise dauere es ungefähr ein bis zwei Wochen, alle von einer Änderung zu überzeugen. Die Ausnahme sei eine Preisänderung gewesen, da habe man zwei ganze Monate beratschlagen müssen.

Es wird in 200 Städte in Deutschland, Österreich und der Schweiz geliefert. 2015 wurden rund 1,4 Millionen Flaschen Bier und Cola verkauft. Die Produktion ist nicht gewinnorientiert, und alle Mitarbeiter bekommen den gleichen Stundenlohn: 18 Euro. Wie viele Mitarbeiter es gibt, kann man schwer sagen, denn die wenigsten arbeiten ausschließlich für Premium - damit keine Abhängigkeit entsteht. Ein Problem sei, Personen zu finden, die bereit seien, selbstbestimmt zu arbeiten. "Solche Leute muss man mit der Lupe suchen", sagt Lübbermann.

Eine weitere Besonderheit ist der "Anti-Mengen-Rabatt". Großhändler nehmen mehr Kästen ab als kleinere Händler, folglich können diese auch einen größeren Lastwagen bezahlen und haben so einen geringeren Preis je Flasche. Sie bekommen deshalb nicht zusätzlich einen Mengenrabatt. Den bekommen Abnehmer weniger Kästen, damit sie die Chance haben, irgendwann mehr Flaschen zu verkaufen.

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