Das Verschicken von Nachrichten über das Internet hat Briefe als allgemeines Kommunikationsmittel abgelöst. Und doch erfährt Handgeschriebenes wieder Auftrieb. Ein Beispiel dafür ist die Kalligraphie, die Kunst des Schönschreibens, die in Kursen erlernt werden kann. Aber auch die individuelle Handschrift wird wieder stärker geschätzt. So gibt es eine Reihe von Handbüchern und Online-Videos zum Thema "Handlettering", also zum Erlernen von Schönschrift. Das Schreiben von Hand soll im Zeitalter von Handy und Computer eine sinnliche Erfahrung bieten.
Aus diesem Trend hat Thorsten Petzold eine Geschäftsidee entwickelt. Sie entstand, als er einen Liebesbrief schreiben wollte; mit seiner "Sauklaue" sei das aber schwierig gewesen. Im Jahr 2013 gründete er die Schreibstatt GmbH in Berlin-Kreuzberg. Sie verfasst auf Kundenwunsch handschriftlich geschriebene Einladungen, Geburtstagsgrüße und freie Texte. Man fertigt auch Menükarten, Firmen- und andere Schilder sowie Tischkarten. Ein besonders kurioser Auftrag sei ein 39-seitiger Brief gewesen, in dem eine fünfjährige Beziehung aufbereitet worden sei, erinnert sich Petzold.
Ein Brief mit bis zu 100 Wörtern kostet rund 7 Euro, eine Karte mit maximal 35 Wörtern knapp 4 Euro. Für 1,90 Euro gibt es ein adressiertes Kuvert dazu. Der Kunde kann das Papier, den Stift und die Handschrift wählen - und zwischen acht verschiedenen Sprachen. Inzwischen beschäftigt die Schreibstatt rund 80 Mitarbeiter. Diese arbeiten zum Teil in Kreuzberg, viele auch von zu Hause aus, manche in Vollzeit, andere im Nebenjob. Es sind fast ausschließlich Frauen. Petzold erklärt dies damit, dass Frauen das Schreiben von Hand mehr liege und mehr Freude bereite. Die Kunden sind allerdings zu 90 Prozent männlich. Nur 5 bis 10 Prozent sind Privatkunden. Mit Abstand die meisten Aufträge stammen von Unternehmen. Am häufigsten bestellt werden Paketbeileger; mit ihnen wird dem Besteller für dessen Einkauf in kurzen Worten gedankt. "Rund 300 000 fertigt die Schreibstatt davon jährlich", sagt Petzold.
Welche Handschrift verwendet wird, habe viel mit dem Anwendungsfeld zu tun. "Ein Anschreiben zur Neukundenakquise wird eher mit einer schönen Alltagshandschrift geschrieben, während für Einladungen die geschwungenen Schriften bevorzugt werden", erklärt der Unternehmer.
Die Schreibstatt wirbt damit, dass ihre Briefe zu 99 Prozent auch geöffnet würden. Nach Angaben von Max Maclean und Ran Stallard von der Kommunikationsagentur Ogilvy & Mather werden hingegen nur rund 17 Prozent der E-Mails wirklich gelesen; sie verweisen dazu auf mehrere Studien.
Der Schlüssel für den Erfolg der Schreibstatt liege in der fortschreitenden Technik, sagt Petzold. Sein Unternehmen sei ein "Kind der Digitalisierung". 2017 betrug der Umsatz rund 300 000 Euro. Laut Petzold hat man keine ernstzunehmende Konkurrenz.
Cornelia Studer hat 2015 das Unternehmen "Cornelia Studer Kalligrafie" in Gunzgen in der Schweiz gegründet. Sie bietet Workshops zum Erlernen der Kalligraphie an. Zudem schreibt sie Weihnachtskarten, Dankesschreiben und vieles mehr. Die Kundschaft ihrer Kurse besteht hauptsächlich aus Frauen. "Seit ich schreiben kann, schreibe ich gerne", erzählt sie. Schon als Kind schrieb sie oft Briefe. "Beim Schreiben kann ich ganz bei mir sein und mich aus dem Herzen ausdrücken. Und ich glaube, dass dies bei den Menschen ankommt." Sie plädiert dafür, dass die Menschen ihre eigene Handschrift benutzen. "Sie ist unsere Persönlichkeit." Doch sie befürchtet, dass das Handlettering, wie so viele andere Trends, wieder vergehen könnte.