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Kein Fechter wird im Stich gelassen 2

Sicherheit steht für die führenden Fechtsportausrüster Allstar und Uhlmann an erster Stelle.

F.A.Z.

1.02.2018

Luca Fehrenbacher

Max-Planck-Gymnasium Lahr, Lahr

Als Fechter für die Bundeswehr wurde Frank Messemer 1981 durch eine abgebrochene Klinge verletzt, wie der Geschäftsführer der Allstar Fecht-Center GmbH & Co. KG aus Reutlingen berichtet. Die Verletzung lenkte Messemers Aufmerksamkeit auf das Thema Sicherheit im Fechtsport. Seine Familie hatte 1964 Allstar gegründet; inzwischen ist es das in Deutschland und auf der Welt führende Unternehmen für Fechtausrüstung. Der Marktanteil beträgt laut Messemer in Deutschland 50 bis 60 Prozent, der Exportanteil knapp 70 Prozent. Allstar beschäftigt rund 50 Mitarbeiter und erwirtschaftet nach Messemers Angaben einen Jahresumsatz im niedrigen zweistelligen Millionenbereich.

Frank Messemer führt das Unternehmen zusammen mit seinem Vater Roland Messemer. Am früheren Konkurrenten, der Uhlmann Fechtsport GmbH & Co. KG, erwarb der Sohn in den achtziger Jahren einen Anteil von 51 Prozent. In diesem rechtlich wie wirtschaftlich eigenständigen Betrieb ist er ebenfalls Geschäftsführer. Diese Verbindung ermöglicht einen gemeinsamen Einkauf der im Fechtsport sehr speziellen Materialien.

Das Erfolgsgeheimnis von Allstar liegt laut Messemer unter anderem in der Produktion in Deutschland, die eine hohe Qualität ermögliche. „Wir haben Konkurrenten, die produzieren in Asien und damit billiger.“ Doch darauf wolle man sich nicht einlassen, sagt er. Eine weitere Besonderheit sei das System des Direktvertriebs: Auf fast jedem größeren Turnier bis hin zu Welt- und Europameisterschaften ist Allstar mit einem Verkaufsstand vertreten. So verkauft man Produkte für einen eher seltenen Sport direkt an die Sportler und spart ein aufwendiges Vertriebssystem. Und man bleibt im direkten Kontakt mit den Athleten und kennt ihre Bedürfnisse.

Das erfolgreichste und wichtigste Produkt von Allstar ist der elastische Fechtanzug; er sei der erste seiner Art auf der Welt gewesen. Die ersten Anzüge bestanden aus schwerem Segeltuchstoff, der die Bewegungen des Fechters stark einschränkte. Durch einen neuen Schnitt und vor allem ein elastisches Material sei die Beweglichkeit erhöht worden, ohne die Sicherheit zu vernachlässigen. Die neuartige Kleidung wurde erstmals 1968 während der Olympischen Spiele in Mexiko getragen. Seitdem wird sie stetig verbessert. Dazu arbeitet das Unternehmen mit großen Textilunternehmen zusammen, die sich auf Sicherheitsstoffe spezialisiert haben. Mit den bisher bekannten Materialien sei die Entwicklung ziemlich ausgereizt, sagt Messemer. Fortschritte könnte die Nanotechnologie bringen. Die Preise für Fechtjacken liegen je nach Material zwischen 150 und 300 Euro, für Hosen zwischen 100 und 200 Euro.

Aus den Meldern – sie zeigen die Treffer, den Stand des Gefechts und die zur Verfügung stehende Zeit an – sind multifunktionale Geräte mit Touchscreen geworden. Laut Messemer geht der Trend zu mehr Integration und Vernetzung mit Livestreams. Auf Turnieren gewonnene Informationen sollen dem Fechter im Training zur Verfügung stehen.

Im Bereich der Klingen ist das teuerste Produkt ein E-Degen aus Maraging für knapp 160 Euro. Maraging enthält weniger Kohlenstoff als herkömmlicher Stahl und ist somit bruchfester. Mit diesen Klingen hätte 1982 der tragische Tod des russischen Weltmeisters und Olympiasiegers Wladimir Smirnow während der Weltmeisterschaften in Rom verhindert werden können. Die abgebrochene Klinge des Deutschen Matthias Behr bohrte sich zuerst durch die Maske und dann in den Kopf Smirnows, wenige Tage später verstarb die russische Fechtlegende.

Für Messemer steht das Thema Sicherheit im Vordergrund. Das gilt auch für Sven Ressel. Der Sportdirektor des Deutschen Fechter-Bundes erklärt, dass der Fechtsport um einiges athletischer und dynamischer geworden sei. Bei Kämpfen mit dem Säbel ist die Beinarbeit schneller geworden; im Florett-Kampf ist der Abstand der Fechter geringer geworden. Allstar ist der offizielle Ausrüster des Deutschen Fechter-Bundes und stellt die Ausrüstung der Aktiven- und Junioren-Nationalmannschaften. Ressel wünscht sich bessere Klingen; noch immer brächen sie zu schnell, was zwar die Sicherheit nicht beeinträchtige, aber Kosten verursache. Mit Blick auf die Fechtanzüge würde er sich wegen der hohen Körpertemperatur im Anzug über luftdurchlässigeres Material freuen.

Die Uhlmann Fechtsport GmbH & Co. KG, das andere Unternehmen, in dem Messemer die Geschäfte führt, stellt seit 1933 Fechtausrüstungen her. Es wurde vom Fechter Josef Uhlmann gegründet, der den Höhepunkt seiner Sportlerlaufbahn 1936 erreichte, als er sich mit seinem Team den vierten Platz bei den Olympischen Spielen in Berlin erfocht. Nach dem Krieg baute Uhlmann den Betrieb in Laupheim neu auf.

„Die Produkte werden hauptsächlich bei uns im eigenen Haus hergestellt“, sagt Alice Renz, Sachbearbeiterin bei Uhlmann. „Wir haben zum Beispiel eine eigene Näherei.“ Einige Produkte und Rohmaterialien, beispielsweise Klingen und Stoffe, werden von anderen Lieferanten bezogen. Jedoch „achten wir stets darauf, dass diese hauptsächlich in Deutschland beziehungsweise der EU produziert werden“. Die Klingen für die Degen und Florette bezieht man von diversen Schmieden. Uhlmann beschäftigt ebenfalls etwa 50 Mitarbeiter und erzielte 2017 nach Angaben von Messemer einen Jahresumsatz im siebenstelligen Bereich. Im Bereich der Meldeanlagen habe man ein deutliches Wachstum verzeichnet.

Uhlmann habe zusammen mit Allstar vor allem im „High-End“-Bereich einen internationalen Marktanteil von deutlich mehr als 50 Prozent, zum Beispiel in der Ausrüstung von Tunieren der Fédération Internationale d’Escrime (FIE), von Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen, sagt Messemer. Auf einem wachsenden Markt hätten beide Unternehmen in den vergangenen drei Jahren ein Umsatzplus von 30 Prozent erwirtschaftet. Die Exportquote von Uhlmann liegt nach seinen Angaben bei 80 Prozent.

Die Waffen unterliegen strengen Vorschriften, die von der FIE festgelegt wurden und die Sicherheit der Fechter garantieren. Masken, Anzüge und Unterziehjacken werden von einem Prüfinstitut auf ihre Sicherheit, zum Beispiel die Durchstoßfestigkeit, getestet. Als letzte Instanz vor dem Gefecht prüft ein ausgebildeter Obmann die Materialien der beiden Fechter. Früher sei das ganz anders gewesen, erinnert sich Helga Eiermann, 85 Jahre alte Fechtlehrerin im Fechtverein Lahr. Die Fechthosen seien „so dünn wie ein Geschirrtuch“ gewesen. Besonders bei Frauen spielt der Schutz des Brustbereichs eine große Rolle, und „da kam dann der Kampfrichter und klopfte mit dem Hammer, um zu hören, ob man einen Brustschutz trägt“. Uhlmann beliefert auch Jäger, die die hohe Durchstoßfestigkeit der Stoffe nutzen, um Jagdhunde damit auszurüsten. So wird das Verletzungsrisiko der Tiere zum Beispiel bei der Wildschweinjagd verringert.

Messemer erzählt von einem besonders kuriosen Auftrag für Allstar, einer Lieferung in den neunziger Jahren während des zweiten Golfkriegs in den Irak. Wegen des Embargos waren Ausfuhren nur im Rahmen des „Oil for Food“-Programms möglich. Dazu gehörten auch Sportartikel.

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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