Vor wenigen Jahren mussten vor der Produktion eines neuen Automodells noch mehrere Prototypen in verschiedenen Winkeln und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten gegen Hindernisse fahren. Die Messwerte machten es den Autoherstellern möglich, eine hohe Insassensicherheit zu garantieren. Diese Strategie ist allerdings zeitaufwendig und teuer. Allein der Dummy, die Puppe, die den Menschen ersetzt, kostet mehrere hunderttausend Euro. Mit dem Fortschritt der Computertechnik ist es laut Thomas Deter, einem der beiden Geschäftsführer der Berliner IAT Ingenieurgesellschaft für Automobiltechnik mbH, möglich, hochkomplexe Rechnungen, die vorher mühsam mit der Hand gelöst werden mussten, in einem Bruchteil der Zeit berechnen zu lassen. Die Autoindustrie könne deshalb von Crashversuchen überwiegend auf Simulationen umsteigen. Diese seien zwar ähnlich teuer, lieferten aber wesentlich genauere und sehr realistische Ergebnisse.
IAT ist ein Dienstleistungsunternehmen, das sich sowohl auf die Simulation von Crashversuchen als auch auf die Produktion von Crashtest-Komponenten spezialisiert hat. Man beschäftigt etwa 95 Mitarbeiter und ist laut Geschäftsführung der Weltmarktführer in der Simulation im Bereich des Insassenschutzes. Der Marktanteil liegt nach eigenen Schätzungen in Deutschland bei 25 bis 30 Prozent. Das Unternehmen wurde 1991 als Spin-off der Technischen Universität Berlin gegründet.
„Bei einer Simulation versucht man, komplexe Strukturen in möglichst viele einfache Strukturen zu verwandeln, die dann der Berechnung zugänglich sind“, erklärt Deter. Das bedeutet, dass alle Gegenstände und Objekte, die in dem physischen Crashtest benutzt worden wären, von einem Computerprogramm in viele kleine Flächen oder Volumeneinheiten zerlegt werden. Der Computer kann daraufhin berechnen, wie sich genau definierte Kräfte auf die kleinen Strukturen auswirken und wie sie untereinander weitergegeben werden. Mit Hilfe dieser Daten kann dann der Verlauf des simulierten Crashs genau dargestellt werden. Die Ergebnisse der Simulation machen es möglich, die Fahrzeuge so auszulegen, dass die Gefahr für die Insassen so gering wie möglich ist.
Der Aufwand für eine Simulation sei nicht zu unterschätzen, sagt Deter. Allein 80 der etwa 95 Mitarbeiter sind in der technischen Berechnung, also der Simulation tätig. „Allein unsere Arbeit in einem typischen Fahrzeugentwicklungszyklus dauert ungefähr 2,5 bis 3 Jahre.“ In dieser Zeit ist mindestens ein Mitarbeiter der Abteilung Technische Berechnung mit der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Simulationen beschäftigt. Eine komplexe Rechnung könne fünf Tage oder länger laufen, sagt Deter.
Kunden sind die Fahrzeughersteller BMW, Daimler, Ford, Volvo, Volkswagen, Porsche und Audi, der Reifenhersteller Continental, der Technikkonzern Bosch und der TÜV Rheinland. Die meisten der insgesamt 50 bis 60 Kunden seien große Hersteller und Zulieferunternehmen der Autoindustrie und eher im amerikanischen und asiatischen Raum ansässig, berichtet Deter.
„Die Konkurrenz schläft nicht“, fügt er hinzu. Es gibt viele größere und kleinere Wettbewerber im In- und Ausland. Außerdem führen einige Fahrzeughersteller Simulationen selbst durch. Ausländische Unternehmen haben nach Deters Angaben den Vorteil, die gleiche Arbeit für weniger Geld erledigen zu können, da der Stundenlohn in der Regel wesentlich niedriger sei. Man sei zwar globaler Marktführer, habe aber kein ausgeprägtes Alleinstellungsmerkmal. Deshalb setze man auf Qualität und faire Preise. In den vergangenen zehn Jahren ist der Umsatz nach eigenen Angaben jährlich um 10 bis 15 Prozent gestiegen. 2015 habe er rund 6 Millionen Euro betragen, bei einer Gewinnmarge von etwa 2 Prozent.
IAT beschäftigt sich auch mit dem autonomen Fahren. In den Simulationen müssten dann keine standardisierten Dummys benutzt werden, sondern realistische Modelle von verschiedenen Menschentypen. Das würde es, erklärt Deter, möglich machen, die Folgen eines Unfalls sowohl für einen Jugendlichen als auch für einen 80 Jahre alten Mann vorherzusagen.