Früher waren tropische Orchideen in Europa etwas ganz Besonderes. Sie wurden in den Regenwäldern gesammelt, mussten weite Schiffsreisen überstehen, waren teuer und aufwendig in der Pflege. Das hat sich grundlegend geändert; dank moderner Zuchtverfahren steht dem Blumenfreund heute eine Vielzahl dieser exotischen Pflanzen zur Verfügung, die ziemlich problemlos auch auf der Fensterbank gedeihen. Den nach eigenen Angaben Weltmarktführer im Vermehren von Orchideen findet man in Lippstadt in Westfalen. Das Familienunternehmen I.+A. Hark Orchideen GmbH & Co. KG. wurde 1904 gegründet und betreibt in dritter Generation fünf hochmoderne Labore mit 333 sterilen Werkbänken; 750 Mitarbeiter produzieren in zwei Schichten Orchideenpflänzchen für den Weltmarkt. Auch in Michigan in den Vereinigten Staaten gibt es ein Labor mit fünfzig Mitarbeitern.
Orchideen sind relativ schwer zu vermehren. „Bei Orchideen wachsen keine Stecklinge, die man einfach abnehmen kann“, erklärt Karl-Heinz Lapornik, Vertriebschef des Unternehmens. Eine der bekanntesten Orchideen ist die Phalaenopsis, die Schmetterlingsorchidee. Sie wird im Labor vermehrt. Aus der Pflanze werden Zellen gewonnen. „Das sind Zellen, die sich einfach teilen, und diese Zellen stecken wir auf eine spezielle Nährlösung“, erklärt Lapornik. Über Kreuzungen werden zudem neue Sorten entwickelt. Das dauert bis zu acht Jahre.
Im Labor wird nichts anderes gemacht, als die Pflanzen zum Teilen zu bringen. Zunächst werden von einer blühenden Rispe die Blütenstiele abgeschnitten. An ihnen befinden sich kleine Wachstumspunkte, die man herausschneidet. Diese kleinen Augen, an denen sich meist ein kleines Stielstück befindet, werden in ein Nährmedium gesteckt. „Das Nährmedium ist Basis für das Wachstum und muss steril sein. Wenn eine Pflanze verletzt ist, dann öffnet man die Türen für Bakterien“, erklärt Lapornik. Im Nährmedium sind unter anderem Zucker und Dünger enthalten. Aus dem sterilen Stielstück treibt das Auge aus. Irgendwann ist der Seitentrieb so groß, dass er abgeschnitten wird. Die kleine Pflanze wird in ein Gefäß gesteckt. Anschließend kann mit Phytohormonen gesteuert werden, dass sie nicht zu wachsen beginnt, sondern Seitentriebe bildet. Diese werden auseinandergeschnitten und auf einen Nährboden gesetzt. Sie bilden wieder Seitentriebe.
Diese Mutterpflanzen werden auf einen anderen Nährboden gesetzt. Es werden andere Hormone zugegeben, und die Pflanze bildet Wurzeln aus. Während dieser Phase stehen die Pflanzen für etwa sechs bis zehn Wochen in einem Plastikbecher. Dabei wird darauf geachtet, dass Pflanzen gleicher Größe in einen Becher pikiert werden, um zu vermeiden, dass große Pflanzen die kleinen unterdrücken. Im letzten Produktionsschritt werden die Pflanzen dann in den sogenannten Endbecher umpikiert. Dieser finale Wachstumsprozess dauert rund drei Monate. Diese Becher werden an die Gärtnereien geliefert. Dort wächst die Pflanze noch eineinhalb Jahre, bis sie verkauft werden kann.
Mit der Schmetterlingsorchidee – sie ist auch das wichtigste Produkt von Hark – wird in Europa ein Jahresumsatz von einer Milliarde Euro erwirtschaftet, wie Lapornik berichtet. Im Geschäft kostet sie 5 bis 30 Euro. Nach Angaben der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) war 2013 die Orchidee die beliebteste Zimmerpflanze in Deutschland. Ihr Anteil an den Ausgaben für blühende Zimmerpflanzen betrug 35,6 Prozent.
Die Labormitarbeiter von Hark, vorwiegend Frauen, sitzen vor einem Kasten, an dessen Rückseite ein Filter angebracht ist. Durch ihn wird sterile Luft geblasen. „In diese Clean Bench können keine Keime eindringen“, sagt Lapornik. Hark liefert nur an Gärtner- und Jungpflanzenbetriebe. Für eine Jungpflanze bekommt man etwa 0,80 Euro. „Unsere Produkte werden in die ganze Welt vertrieben“, sagt Lapornik. Mehr als 50 Millionen Orchideenpflänzchen werden jährlich an Gärtnereien ausgeliefert. Der Exportanteil beträgt rund 70 Prozent. Hauptexportland sind die Niederlande. „Der Umsatz von 2014 liegt im zweistelligen Millionenbereich“, sagt Lapornik. In den vergangenen zehn Jahren sei er stark gestiegen. Den Marktanteil in Europa beziffert er auf 30 bis 35 Prozent. Die meisten Orchideen, nach Laporniks Schätzung zwischen 30 bis 40 Prozent, sind weiß, die übrigen vor allem rot oder pink. Lapornik hat Tipps zur Pflege: Man sollte Orchideen nicht in die volle Sonne stellen, sie zwei Mal in der Woche mit handwarmem Wasser gießen und moderat düngen.