In der Helora Oberflächentechnik GmbH werden Medizinprodukte auf alchemistisch anmutende Weise mit fast allen Farben des Regenbogens versehen. Das Unternehmen haben die beiden Galvanotechniker Heike und Lothar Ratka 2006 im schwäbischen Göggingen gegründet. Mit 16 Mitarbeitern bringen sie exakt reproduzierbare Oberflächen in brillanten und beständigen Farben auf Medizinprodukte aus Titan auf. Das Farbspektrum reicht von Silber, Bronze und Gold über Blau und Grün bis Pink. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben Marktführer für Farbanodisationen Typ III, einen als Nische zu bezeichnenden Geschäftsbereich der deutschen Galvanotechnik. Den Marktanteil in Deutschland schätzt Heike Ratka auf rund 65 Prozent. Der Umsatz sei stetig um 5 bis 10 Prozent im Jahr gewachsen und betrage nun etwa 800000 Euro.
In dem als Farbanodisation bezeichneten Verfahren werden Titanwerkstoffe „beschichtet“, ohne dass eine eigentliche Schicht aufgebracht wird. Die behandelten Platten, Schrauben und Verbindungselemente, die später als Knochenschrauben, Wirbelsäulen- oder Zahnimplantate im menschlichen Körper verbaut werden, erhalten dabei Teil- oder Vollfärbungen. Das Färben erfolgt in einem elektrochemischen Prozess. Bei diesem wird die an der Luft entstehende natürliche Oxidschicht, die das Material beständig gegen Korrosion macht, durch eine chemische Vorbehandlung entfernt und im Anodisierprozess wieder aufgebaut. Der spezifische Schichtaufbau und die damit verbundene Lichtbrechung erzeugen durch Interferenzeffekte die für das menschliche Auge wahrnehmbare Farbgebung. Je höher die angelegte Stromstärke ist, umso dicker ist die Schicht, die im Maximalfall allerdings nur wenige Nanometer ausmacht.
Doch welche Rolle spielt die Farbe für die Endkunden von Helora, für das Krankenhaus oder den Arzt? Bedenkt man, dass eine Platte zur Befestigung eines gebrochenen Oberschenkelknochens mit etwa zwanzig Titanschrauben unterschiedlicher Länge, Dicke und Gewindesteigung am Knochenfragment fixiert werden muss, so wird klar, wie bedeutend die unverwechselbare Kennzeichnung der nahezu identisch aussehenden Teile ist. Durch die Farbgebung wird der Verwechslung vorgebeugt; der unter Zeitdruck agierende Arzt kann schnell zur benötigten Baugruppe greifen. Die Farbanodisation veredelt die Teile sogar noch: Die erzeugte Oberfläche gilt als biokompatibel; das Implantat erfüllt seine Stabilisierungsfunktion, ohne mit dem menschlichen Gewebe zu reagieren.
Die Idee hatten vor Helora schon andere; man habe sie aber zur Reife gebracht. Es gebe maximal fünf Konkurrenten; sie seien aber überwiegend Einzelkämpfer oder Kleinstunternehmen. Von den jährlich etwa 200000 eingefärbten Teilen, die in einer Preisspanne von 5 bis 250 Euro verkauft werden, gehen nach Schätzungen von Heike Ratka etwa 10 Prozent ins Ausland. „Vorwiegend nach Amerika.“ Dieser Absatzmarkt ist allerdings nicht unproblematisch im Hinblick auf Produkthaftung und potentiell auftretende Schadensersatzforderungen. Deshalb verpflichten viele Kunden Helora zu hohen Deckungssummen in der Produkthaftpflichtversicherung.