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Gut behütet

Kopfbedeckungen für krebskranke Frauen

F.A.Z.

6.10.2016

Lukas Radtke

Katholische Schule Liebfrauen, Berlin

Mehrere tausend Menschen haben seit 2006 vor ihr den Hut gezogen. Die Rede ist von Martina Haagen, einer Geschäftsfrau aus Berlin und Inhaberin des Geschäfts Gutbehütet. Haagen hat es sich zur Aufgabe gemacht, für an Krebs erkrankte Menschen Kopfbedeckungen herzustellen. Sie kam aus ihrer eigenen Not heraus auf diese Idee. Haagen erkrankte an Krebs und verlor infolge der Chemotherapie ihre Haare. Nun versuchte sie den, wie sie sagt, „Schmuck unseres Kopfes“ zu ersetzen. Sie wollte keine Perücke, fand aber nichts Besseres. So entschloss sie sich, selbst Kopfbedeckungen zu nähen. Anderen an Krebs erkrankten Menschen gefielen ihre Entwürfe, sie fragten Haagen, wo sie diese gekauft habe.

2006, nachdem Haagen den Krebs bezwungen hat, beginnt sie, ein Geschäftskonzept auszuarbeiten. Sie gibt bei einer Schneiderin etwa 25 Mützen in Auftrag. Und sie beauftragt eine Grafikerin, Flyer zu entwerfen. „Das war eine ganz kleine Investitionssumme, die ich da auf mich genommen hatte, keine 1000 Euro.“ Fast zehn Jahre später besteht ihr Sortiment aus sechs Mützenmodellen mit unterschiedlichen Farben. Dazu kommen Accessoires und Verarbeitungsmöglichkeiten des verlorenen Echthaares. Letztlich umfasst das Sortiment rund 250 Produkte.

Das billigste Produkt ist eine Nachtmütze, die 20 Euro kostet. Ein Haarkranz aus eigenem Haar kostet bis zu 189 Euro. Gerade dieser Haarkranz wird laut Haagen selten angeboten. Ein Haarkranz wird mit einem Hut oder einer Mütze kombiniert, so dass es den Anschein erweckt, als habe man nie die Haare verloren.

Haagen hat nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr einen Umsatz von 77300 Euro erwirtschaftet. Rund 1700 Kopfbedeckungen hat sie verkauft. Ihre Hüte unterschieden sich von herkömmlichen Hüten, weil sie „auf die Situation speziell abgestimmt“ seien. „Die Hüte verdecken den Haaransatz an der Schläfe und am Hinterkopf sehr gut.“ Dies sei wichtig, weil sie ihren Kundinnen verspreche, man könne von außen nicht erkennen, dass sie unter dem Hut keine Haare mehr besäßen. Auch hätten ihre Hüte mehr Volumen am Kopf. Der Kopf sehe deswegen im Vergleich zum Körper proportionierter aus. „Durch den Verlust der Haare sieht der Kopf kleiner aus, weshalb er unproportional zum Körper wirkt.“

Sie arbeitet mit dem Berliner Schneiderei-Unternehmen Tinka Bell Nähwerkstatt zusammen. Verwendet werden Stoffe aus natürlichen Rohstoffen wie Seide, Leinen und Wolle, da sie angenehm auf der Haut liegen. Den Hüten wird ein Gummizug eingenäht, damit sie nicht verrutschen. „Man kann mit denen sogar Cabriolet fahren“, scherzt Haagen. Die Qualität der Stoffe sei entscheidend dafür gewesen, dass ihre Flyer mittlerweile in mehr als 1000 Krankenhäusern und Arztpraxen auslägen, auch in Österreich und der Schweiz. Zu den Kundinnen gehören neben Frauen, die an Brustkrebs erkrankt sind, auch solche, die an der Haarausfall-Erkrankung Alopecia Areata leiden. Auch die kürzlich an Brustkrebs gestorbene Schauspielerin Hendrikje Fitz kaufte für die Bambi-Verleihung 2014 einen schwarzen Samthut.

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