Snapchat ist eine der am schnellsten wachsenden Smartphone-Anwendungen (Apps) im Bereich der sozialen Medien auf der Welt. Nach Angaben des dahinterstehenden Unternehmens Smart Inc. aus Los Angeles, das 2011 gegründet wurde, nutzen mehr als 150 Millionen Menschen die App am Tag; man zähle täglich gut 10 Milliarden Aufrufe – eine Steigerung um 350 Prozent innerhalb eines Jahres.
Nach der neuesten Jim-Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest zur Mediennutzung von Jugendlichen in Deutschland, die Ende des vergangenen Jahres veröffentlicht worden ist, ist Whatsapp die Kommunikationsanwendung Nummer eins; sie verwenden 95 Prozent der 12- bis 19-Jährigen täglich oder mehrmals in der Woche; im Jahr zuvor waren es auch schon 89 Prozent. Facebook hat hingegen stark an Bedeutung verloren, während Snapchat und auch Instagram, die beide die visuelle Kommunikation über Fotos und Videos in den Vordergrund stellen, deutlich beliebter geworden sind – gerade unter den Mädchen – und Facebook überholt haben. Instagram nutzen 51 Prozent der Jugendlichen (im Vorjahr 44 Prozent). Am deutlichsten zugelegt hat die Verwendung von Snapchat, von 31 auf 45 Prozent. Doch wer genau nutzt Snapchat, und was macht die App so erfolgreich?
Nutzer sind konsumorientiert und kreativ
Hanna Klimpe, Wissenschaftlerin am Competence Center Communication der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, beschreibt die Zielgruppe von Snapchat als jung, konsumorientiert, aktiv und kreativ. Die Nutzer haben, ähnlich wie bei Whatsapp und Facebook, eine Liste mit Kontakten von Freunden, deren Alltag sie über Snapchat verfolgen, indem sie sich Schnappschüsse oder Videos schicken, die man sich bis zu zehn Sekunden anschauen kann, bevor der „Snap“ gelöscht wird.
Nach der Aussage des Social-Media-Marketingfachmanns Felix Beilharz stellt die Flüchtigkeit einen wesentlichen Erfolgsfaktor dar. „Gerade junge Menschen schätzen es, dass die dort geposteten Inhalte sie nicht noch nach Jahren ,verfolgen‘ oder sich im Netz verbreiten können“, erklärt er. „Snapchat ermöglicht eine sehr echte und hemmungslose Kommunikation, wohingegen auf Instagram eher Wert auf eine optimale Selbstdarstellung gelegt wird.“
Dass die Inhalte der Snaps keiner aufwendigen Inszenierung bedürfen, macht sich eine weitere Gruppe zunutze: Auf Snapchat sind längst auch viele Prominente wie Arnold Schwarzenegger, Lena Meyer-Landrut und Rihanna aktiv. Selbst das Weiße Haus ist vertreten. Die Idole rücken an ihre Fans heran, indem sie mit Videos und Fotos ihren Alltag für ihre „Follower“ dokumentieren.
Auf Instagram ist die Distanz zu den Stars größer; selbst auf den beliebtesten Nutzerkonten werden meistens nicht mehr als ein bis drei Bilder am Tag veröffentlicht. Auf Snapchat hingegen erfährt man durch die zum Teil minutenlang aneinandergereihten Videos und Fotos viel mehr über eine Person. Der Unterschied zu Instagram ist auch, dass auf Snapchat kein Perfektionismus erwartet wird. Eine Videobearbeitung ist nur eingeschränkt möglich: Es gibt keine Schnitt-, Facelift- oder Retuschiermöglichkeiten. So sehen auch die Idole auf dem Bildschirm realitätsnah aus. Das Aufnehmen der Snaps dauert nur Sekunden. Zum Schluss kann man noch einen Filter auf das Video legen. Man kann auch Emojis, die Uhrzeit und die Temperatur einfügen oder einen kurzen Text.
Bis zu 150 000 Dollar für einen Snap
Geld lässt sich mit den Snaps auch verdienen. Klimpe zitiert aus der Studie eines Analyseunternehmens über Gagen auf Social-Media-Kanälen. „Eine Celebrity mit mehr als 7 Millionen Followern kann bis zu 150 000 Dollar mit einem Snap verdienen.“ Für einen Facebook-Beitrag seien es 187 000 Dollar und für einen Tweet auf Twitter 60 000 Dollar. „Das sagt einiges aus über das Marketingpotential von Snapchat.“ Mit einem Video auf dem Internetportal Youtube könne ein Prominenter mit so vielen Followern freilich bis zu 300000 Dollar erlösen.
Auch in einer Oldenburger Schulklasse der gymnasialen Oberstufe verfolgen viele das Leben von Berühmtheiten. 15 der 24 Schüler haben mindestens eine solche Person auf ihrer Freundesliste, deren „Story“ sie sich regelmäßig anschauen. Neun geben an, in diesen Snaps schon Produkte gesehen zu haben. Snapchat ist nämlich auch für Unternehmen attraktiv; sie können darüber für ihre Produkte werben. Richard Gutjahr, Moderator, Journalist und Blogger, sagt, dass sich Snapchat perfekt für Werbung eigne. Es gebe gekaufte Inhalte, Unterbrecher-Reklame zwischen den Stories und gesponserte Filter. „Anders als das ewige Sorgenkind Twitter haben die Snapchat-Macher die Monetarisierung von Anfang an mitbedacht“, meint Gutjahr.
Ungewisse Zukunft
Es komme natürlich auf die Zielgruppe an, sagt Felix Beilharz. Unternehmen mit jugendtypischen „hippen“ Produkten könnten durchaus von Snapchat profitieren, zum Beispiel Burgerläden, Kekshersteller, Produzenten von Turnschuhen oder Erfrischungsgetränken. „Für Unternehmen, die sich eher an ein erwachsenes Publikum richten und mit eher seriöseren Produkten agieren, ist es dagegen schwierig, Snapchat-konform aufzutreten.“ Eine Hürde stelle zudem die fehlende Nachhaltigkeit dar; die Inhalte verschwänden schnell.
Hanna Klimpe ist skeptisch, was die Zukunft von Snapchat anbelangt: „Je mehr Nutzer Snapchat hat und sich die Zielgruppe erweitert, desto unattraktiver wird die Plattform für die Kerngruppe“, glaubt sie. Gutjahr hält die Zukunft ebenfalls für ungewiss. „Was wir aber von Snapchat lernen können, ist eine veränderte Form der Kommunikation: kürzer, unmittelbarer, spielerischer.“