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Fische fallen nicht einfach vom Fleisch

Mit den Maschinen von Baader werden Fischfilets hergestellt. Der Weltmarktführer aus Lübeck profitiert von der zunehmenden Beliebtheit dieses Lebensmittels.

F.A.Z.

4.10.2018

Pia Jürgensmeier

Gymnasium Ohmoor, Hamburg

Die Kirchturmglocken läuten, Möwen kreischen, und Wellen schwappen gegen den Kai von Travemünde. Das ist am Wochenende der Arbeitsplatz von Emilie F. Dann steht die großgewachsene Frau mit der roten Windjacke auf dem kleinen Fischerboot ihres Mannes und verkauft frisch gefischten, selbstfiletierten Fisch. Die Familie ihres Mannes sei schon lange im Geschäft, erzählt Emilie F. stolz. Genauer gesagt seit 1188, als sie Gothmunder Stadtfischer wurden. Stadtfischer haben das Recht, in der Trave zu fischen, und so liegen vor Emilie F. nun Dorsch, Butt und Scholle. Eigentlich heißt Emilie F. anders, doch sie bat, ihren Namen nicht in der Zeitung zu veröffentlichen, da sie hauptberuflich Lehrerin sei und auf ihrem kleinen Boot unbehelligt von Schülern bleiben möchte. Ein fangfrischer Drei-Kilogramm-Dorsch kostet 18,60 Euro, und er wird für jeden Kunden je nach Wunsch nur ausgenommen oder auch filetiert. Mit einem gezielten Schnitt und einem Ruck entfernt Emilie F. den Kopf und nimmt die Eingeweide aus. Nachdem sie den Schwanz abgeschnitten und die Haut entfernt hat, geht es zum eigentlichen Filetieren. Fünf Schnitte später drückt Emilie F. ihrem Kunden die Tüte in die Hand. „Noch nicht heute essen; heute ist er zu frisch“, erklärt sie. „Am besten morgen, damit er nicht schlecht wird.“ Den Rest vom Fisch wirft sie wieder ins Meer. „Der ist biologisch abbaubar“, sagt sie und lacht.

Nur 20 Kilometer weiter sieht Fischverarbeitung ganz anders aus. Das Lübecker Unternehmen Nordischer Maschinenbau Rudolf Baader GmbH & Co. KG stellt Maschinen her, die vom Töten der Fische bis zur Herstellung eines verkaufsfertigen Filets alles können. Im Jahr 1919 war Gründer Rudolph Baader nach Angaben des Unternehmens auf der ganzen Welt der Erste, der eine Maschine erfand, die die per Hand mühsame Fischfiletierung übernahm. Seitdem ist Baader stark gewachsen. Mit siebzig Standorten und mehr als 1100 Mitarbeitern ist man nach eigenen Angaben Weltmarktführer in der Branche der Fischbearbeitungsmaschinen. Die heutige geschäftsführende Gesellschafterin Petra Baader ist die Enkelin des Gründers. Das Unternehmen exportiert in die ganze Welt. Dabei werde der asiatische Raum immer wichtiger.

Betriebe mit Baader-Maschinen hätten keine Abfälle, heißt es vom Unternehmen. Jeder Verarbeitungsschritt wird von Maschinen getätigt, und diese werden in den Fabriken zu Bearbeitungslinien verbunden. Ein Beispiel ist die Lachsindustrie. Die getöteten Fische werden vermessen und gegebenenfalls enthäutet. „Die Vermessung ist besonders relevant, denn je akkurater ein Fisch ausgemessen wird, desto mehr kann für Filets benutzt werden“, erklärt Regina Dedow, die Marketingmanagerin von Baader. Das Fleisch wird dann möglichst nah an den Gräten abgeschnitten. Das Filet wird in einer weiteren Maschine nach den Wünschen des Kunden zugeschnitten. Auch das Fleisch zwischen den Gräten wird mit einer Maschine gewonnen und unter anderem für Fischburger und Surimi, eine feste Masse aus zerkleinertem Fisch, genutzt. Dieses Verfahren heiße in Fachkreisen Baadering, da Baader das erste Unternehmen gewesen sei, das es angewendet habe. Der Rest des Fisches, also Kopf, Schwanz und Gräten, wird schließlich zum Beispiel zu Fischmehl weiterverarbeitet.

Die Maschinen können laut Bodo Hensen, dem Produktmanager von Baader, an Land und auf Schiffen auf dem Meer verwendet werden. Auf hoher See müssen sie wegen des Wellengangs besonders robust sein. Die Schiffe laufen dann mit dem schon filetierten und gefrorenen Fisch in den Hafen ein.

„In einer Maschine von Baader steckt mehr Elektronik als in einem Einfamilienhaus“, sagt Hensen. Deshalb investiert das Unternehmen nach eigenen Angaben einen erheblichen Teil des Umsatzes in die Neu- oder Weiterentwicklung der Maschinen. Kerninovationen gebe es nur etwa alle zehn Jahre; doch habe man in den vergangenen Jahrzehnten rund 600 Patente angemeldet. Der hohe Stellenwert von Forschung und Entwicklung habe aber auch Nachteile. Die Maschinen hielten so lange, dass die Nordische Maschinenbau Rudolf Baader GmbH teilweise ihr eigener Konkurrent sei, sagt Marketingmanagerin Dedow.

„Man kann für eine Fabrik Millionen ausgeben“, ist die preisliche Größenordnung, die Hensen verrät. Nach Angaben des Geschäftsführers Robert Focke liegt der Jahresumsatz im mittleren dreistelligen Millionenbereich, und 2017 war das bisher erfolgreichste in der Unternehmensgeschichte.

Derzeit muss ein Raum, der normalerweise für Veranstaltungen genutzt wird, für das Testen von Maschinen herhalten. „Die Nachfrage nach Filet steigt“, sagt Matthias Keller vom Bundesverband der deutschen Fischindustrie und des Fischgroßhandels e.V. „Folglich steigt auch die Nachfrage nach Verarbeitungsmaschinen.“ Im Jahr 2016 hat jeder Deutsche laut Statistischem Bundesamt im Durchschnitt 14,2 Kilogramm Fisch verzehrt und 2,7 Prozent seiner Lebensmittelausgaben für Fisch ausgegeben.

Die größten Kunden von Baader kommen indes aus Kanada und Norwegen. Dort sei die Nachfrage so hoch, dass die Maschinen oft das ganze Jahr täglich bis zu 18 Stunden liefen. Laut Hensen wird der Fischkonsum wegen des Wachstums der Weltbevölkerung weiter zunehmen.

Das Lesen dieses Artikels hat etwa 2Minuten gedauert. In dieser Zeit filetiert Emilie F. einen Fisch, während eine Heringsbearbeitungsmaschine von Baader bis zu 800 Fische verarbeitet.

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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