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Entweder wird ihr schlecht, oder sie ist schwanger

In Eisdielen gibt es nun Sorten wie Essiggurke-Nutella

F.A.Z.

4.08.2016

Jasmin Fenzky

Berufskolleg Siegburg, Siegburg

Ich hätte gerne ein Bier und eine Weißwurst mit Senf.“ Diese Bestellung würde man in einem Biergarten erwarten, nicht in einer Eisdiele. Für Matthias Münz, der sich „Der verrückte Eismacher“ nennt, ist dieser Wunsch ganz normal, bietet er doch genau solche Eissorten an. „Einen an der Waffel“ hat er keineswegs, ausgefallene Sorten sind ein wichtiger Teil seines Geschäftsmodells, mit dem er sich von anderen Eisdielen abheben will. Der Name „Der verrückte Eismacher“ sei angelehnt an den verrückten Hutmacher aus dem Kinderbuch „Alice im Wunderland“. Im Eissalon zieren die Abenteuer von Alice, dem weißen Kaninchen, der Grinsekatze und der Herzkönigin die Wände. Dazu passend, gibt es Alice-Eis mit Rosengeschmack und fruchtiges Grinsekatzeneis.

„Schon als Kind habe ich immer sieben Kugeln Eis in einer Waffel gegessen“, behauptet Münz. Und da er auch immer gern Hüte getragen habe, gefällt es ihm, seine Kunden mit einem Zylinder auf dem Kopf zu überraschen. Während seines Tourismusstudiums habe er durch die Kontakte seiner italienischen Freundin in Italien das Eismachen erlernt. „Meine Bachelor-Arbeit habe ich über das Thema ,Existenzgründung in der Speiseeis-Branche – Eröffnung eines innovativen Eiscafés in München‘ geschrieben.“ Im Februar 2012 eröffnete er dann im Münchner Universitätsviertel sein Eiscafé. 2013 habe er schon Gewinn erwirtschaftet.

Mittlerweile beschäftigt Münz vier Vollzeitangestellte und rund 30 Aushilfen. Jeden Tag bietet er andere Sorten an. „Mehr als 500 Eissorten haben wir schon verwirklicht.“ Die Hälfte seien ausgefallene Sorten wie Gebrannte Mandeln und Apfelmus-Pfannkuchen. Es gibt zudem immer zwei, drei extreme Sorten wie Schweinebraten, Käsespätzle mit Röstzwiebeln oder Stockfisch. „Diese ausgefallenen Sorten sind der absolute Renner.“ Auf der Eistheke steht ein Ideenhut für Wünsche. Selbst den Wunsch nach Kaviareis erfüllte Münz – für 50 Euro die Kugel.

Seine neuesten Kreationen sind das Sorbet „Flip, der Grashüpfer“, eine Komposition aus Heulikör und gerösteten Heuschrecken, und „Stracciawurmella“ aus Stracciatellaeis mit gerösteten Mehlwürmern – 50 Gramm auf 2 Liter Eis – und heißer Schokolade. Sauerkraut- und Döner-Eis seien allerdings Flops gewesen, gibt Münz zu. „Ich lasse mir skurrile, lustige Aktionen einfallen wie den kostenlosen Schwangerschaftstest mit Essiggurke-Nutella-Eis. Wenn es den Damen schmeckt, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass sie schwanger sind.“

Seine Wareneinsatzquote sei hoch, sie liege bei 30 bis 35 Prozent. Die erste Kugel kostet 1,60 Euro, zwei Kugeln 3und drei 4,30 Euro. Nach eigenen Angaben erzielt er einen jährlichen Umsatz im oberen sechsstelligen Bereich und verkauft täglich etliche tausend Kugeln Eis. Im Mai hat Münz in der Münchner Innenstadt ein zweites Café im Stil „Der verrückte Eismacher und die sieben Zwerge“ eröffnet.

Eine etwas andere Eiskunst präsentiert die Berliner Eispatisserie „Hokey Pokey“: Inhaber Niko Robert kreiert Edeldesserts. Hokey Pokey, ein Begriff aus englischsprachigen Kinderliedern, steht für Zauberei und benennt gleichzeitig die bestverkaufte Eissorte, die aus einer Vanilleeis-Variante und Karamellstückchen besteht. Robert verwendet eher traditionelle Sorten, das Besondere sei die Komposition. Beliebt seien „Café Noir aus Mousse au Chocolat, Sherry und Espresso“, „Gurke Gin Tonic Sorbet mit Eukalyptus“ und „Schwarze Johannisbeere mit Marzipan und Riesling Beerenauslese“. „In einer Kugel biete ich ein ganzes Dessert“, sagt Robert. Im Jahr 2011 eröffnete er seine Manufaktur in Berlin am Prenzlauer Berg, nachdem er zwei Jahre im Fünf-Sterne-Hotel Ritz-Carlton in Berlin als Koch gearbeitet hatte. „Ich wurde von einem Bekannten gefragt, ob ich nicht auch Eis machen könnte, das war in der Eismanufaktur ,Vanille&Marille‘, und dort habe ich dann einen Sommer lang Eis gemacht.“

Innerhalb von drei Jahren habe sich sein Eisladen allein durch Mundpropaganda zur umsatzstärksten Eisdiele Berlins entwickelt, sagt Robert. Genaue Umsatzzahlen will er nicht verraten, nur dass er an heißen Tagen mit neun Verkäufern gleichzeitig agiere. 2013 kamen so viele Kunden, dass der Bürgersteig mit Fahrrädern und Kinderwagen blockiert war, worüber sich die Anwohner beschwerten. Robert schloss den Laden für drei Tage und erhöhte den Preis für eine Kugel um ein Drittel auf 1,60 Euro, um Kunden abzuschrecken. Aber auch das habe den großen Zulauf nicht stoppen können, erzählt Robert. Die Lage entspannte sich, als er 2014 nur 20 Meter weiter einen dreimal größeren Laden zusätzlich eröffnete. Mittlerweile kostet eine Kugel 1,80 Euro. Dafür gibt es zum Beispiel Banane in braunem Rohrzucker karamellisiert, mit einem Schuss Rum, Schoko-Brownie-Stückchen und gerösteten Pekan- und Paranüssen.

Ralph Höfges empfängt seine Kunden in seinem Eiscafé in Krefeld, das er mit seiner Frau aufgebaut hat, in authentischem Sylter Ambiente. Er kam auf die Idee, ein Eiscafé zu eröffnen, als er am Strand von Rantum auf Sylt war. In seinem „Sylter Eiscafé“ will er seinen Gästen ein identisches Urlaubsgefühl verschaffen: mit Strandkörben, Sylter Produkten, hausgemachten Kuchen, Waffeln und eigenen Eiskreationen.

Höfges gründete im Herbst 2013 ein Franchise-Unternehmen, im Februar 2014 eröffnete er das erste Eiscafé in Krefeld und dann vier weitere in der Umgebung. Zuvor besaßen die Höfges eine Veranstaltungsagentur. Sie beschäftigen sieben Mitarbeiter in Vollzeit und bis zu zwanzig Aushilfen. Höfges bietet abwechselnd rund 45 Eissorten an. „Am besten verkaufen sich die Klassiker Vanille, Schokolade, Erdbeere und im Becher das Spaghettieis“, berichtet Höfges. Er rechnet damit, 2016 rund 70000 Liter Eis zu verkaufen. In der Winterpause kreiert Höfges neue Sorten. Eine Kugel kostet im Sylter Eiscafé 1,10 Euro, die Nusssorten 1,30 Euro. Für das Orangeneis zum Beispiel werden kistenweise Orangen ausgepresst. „Da wir unser Eis ausschließlich aus natürlichen Zutaten handwerklich herstellen, ist es in der Herstellung deutlich teurer als das bekannte italienische Tüteneis.“ Dieses werde in der Regel mit einem Aromapulver und Wasser beziehungsweise Milch hergestellt. Man erziele einen Jahresumsatz von 300000 bis 400000 Euro.

Im Jahr 2015 schleckte jeder Deutsche nach Angaben des Eis Info Services rund 7,9 Liter Eis, 3,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Das sind etwa 113 Kugeln. Der Konsum des von Eisdielen produzierten Eises blieb mit durchschnittlich 1,5 Litern je Kopf weitgehend konstant. Die beliebtesten Sorten sind Vanille, Schokolade, Stracciatella, Amarena und Erdbeere. Ernst Kammerinke, Geschäftsführer der Sparte Markeneis im Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie, sagt, die deutschen Eisfans würden immer experimentierfreudiger und die Eismacher immer kreativer. Auch die Markeneishersteller, die laut Kammerinke mehr als 80 Prozent des Speiseeismarktes in Deutschland repräsentieren, setzten zunehmend auf Exotik. So bietet Mövenpick inzwischen Sorten wie Ananas-Thai-Basilikum an.

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