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Die Sterne zum Greifen nah

In den Schweizer Alpen gibt es ein Hotel ohne Dach und Wände. Es ist auf Jahre ausgebucht.

F.A.Z.

16.06.2017

Nour Ardah

Max-Planck-Schule, Kiel

Ein Doppelbett mit zwei Tischlampen und Stromanschluss mitten in den Schweizer Bergen, ohne Wände und ohne Dach – die Idee für dieses sogenannte Nullsternhotel hatten die Künstler-Zwillinge Frank und Patrik Riklin und Daniel Charbonnier. Entstanden ist eine Mischung aus Hotel und Kunst. Die Idee sei, die Landschaft zur Tapete des imaginären Gebäudes zu machen, erklärt Frank Riklin.

Das erste Nullsternhotel befand sich in einem Zivilschutzbunker der Gemeinde Sevelen im Schweizer Rheintal. „Die Gemeinde beauftragte uns, die unterirdischen Immobilienressourcen mit einer neuen Nutzung aufzuwerten. Unsere Idee war schließlich ein Übernachtungskonzept mit dem Titel: das erste Nullsternhotel der Welt als Antithese zum Größen- und Luxuswahn“, erzählen Frank und Patrik Riklin. Sie verwirklichten es 2008. Dazu brauchten sie Betten aus alten Hotels, einen alten Bunker, einen „Butler“, der ein Bewohner aus der Nachbarschaft war, und Brot.

Es genügte nicht einmal den Anforderungen eines Hotels mit nur einem Stern. Und doch kamen, wie Frank Riklin berichtet, Gäste aus rund dreißig Ländern. Eine Nacht kostete etwa 25 Franken. Die Einnahmen reichten gerade aus, um die Ausgaben zu decken. Man wollte etwas Neues machen und schloss den Bunker.

So entstand die Landversion des Nullsternhotels. Die drei Gründer wollen die Wirtschaft verändern und bestehende Strukturen hinterfragen. Statt immer mehr Luxus zu schaffen, versuchen sie, den Begriff Luxus neu zu definieren. Das Nullsternprinzip soll für Verwirrung sorgen. Ein Butler zum Beispiel taucht höchstens in einem Luxushotel mit fünf Sternen oder mehr auf. Und plötzlich gibt es ihn auch in einem Hotel ohne Sterne.

Die Landversion ist ein einfaches Bett aus einem alten Viersternehotel mit zwei Nachtlichtern und Stromanschluss; es steht in den Alpen unter freiem Himmel. Der Strom wird aus Sonnenenergie erzeugt. Das Aggregat für die Nachttischlämpchen ist unter dem Bett installiert. Das Hotelzimmer ohne Wände und ohne Dach befindet sich auf 1800 Metern über dem Meeresspiegel. Bisher stand es in Thalkirch beim Gasslihof. „Dieses Jahr wandert das Bett in eine andere Region innerhalb der Schweizer Alpen“, berichtet Frank Riklin.

Wenn man auf die Toilette muss, stehen entweder die freie Natur oder zehn Minuten entfernt ein Gäste-WC zur Verfügung. Morgens gibt es das Frühstück am Bett. Serviert wird nur, was der Butler auf dem Hof herstellt: Brot, Salami, Konfitüre und Frischkäse. Sollte es regnen, wird in der Scheune gefrühstückt, und der Gast muss das Bett mit einer Plane bedecken und darf im Stall auf einem Notbett schlafen.

Das Bett wird regelmäßig gewartet. Mindestens ein- bis zweimal in der Saison wird das Holz mit einem Schutzanstrich behandelt. Matratze, Decke, Kissen und Betttuch werden vor Feuchtigkeit geschützt und bei schlechtem Wetter von der Kunstinstallation entfernt. Sie werden in der rund 50 Meter entfernten Alphütte untergebracht.

Vor Tieren wie Bären, Wölfen oder Füchsen sollte man keine Angst haben, jedoch kann es vorkommen, dass ein harmloses Tier wie ein Hase vorbeischaut. Die Kühe auf dem Hof sind eingezäunt. Eine Nacht kostet rund 250 Franken. Bezahlt wird im Touristenamt, da die Region das Bett verwaltet.

Kunden aus der ganzen Welt fliegen für diese eine Nacht extra in die Schweiz. Wegen des Wetters ist das Bett durchschnittlich nur neunzig Tage im Jahr buchbar; es ist für die nächsten sieben Jahre ausgebucht. Die Nacht werde als einmaliges Erlebnis, Kunst und Luxus wahrgenommen, sagen die Gründer. Für die Zukunft planen sie, bis zu dreißig weitere Betten anzuschaffen.

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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