Wir möchten Lebensbedingungen schaffen, die es allen Menschen auf der Welt ermöglichen, dauerhaft saubere und kühle Luft zu atmen.“ So selbstbewusst gibt sich das 2014 gegründete Unternehmen Green City Solutions GmbH aus Berlin. Gegen die Luftverschmutzung haben die vier Gründer eine Mooswand entwickelt. Sie heißt City Tree und ist eine Kombination aus digitaler Technik und Mooskulturen. Einer der Gründer ist Dénes Honus. „Wir haben mit dem City Tree den ersten selbstregenerierenden, biologischen Luftfilter der Welt für den Außenbereich auf den Markt gebracht“, sagt er. Der City Tree ist durch Patente geschützt. Wettbewerber gebe es bisher weder im In- noch im Ausland, sagt Honus. Die Mooskulturen tilgen den Feinstaub aus der Luft. „Wir konnten unter Laborbedingungen darlegen, dass Filterraten von bis zu 90 Prozent möglich waren.“ Der vier Meter hohe City Tree bietet außerdem Kleintieren einen Lebensraum.
Wichtige Kunden des Unternehmens sind Städte und Gemeinden in Europa. So haben Berlin und Oslo City Trees aufstellen lassen. Nach Unternehmensangaben ist eine Mooswand so effektiv wie 275 Bäume. „Der City Tree ist eine von vielen Möglichkeiten, mehr Grün in die Städte zu bringen und die Aufenthaltsqualität zu verbessern“, sagt Martin Lutz von der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. Man könne ihn aus Platzgründen jedoch nicht an engen Straßen mit hohen Gebäuden aufstellen, obwohl dort eine hohe Verschmutzung entstehe. Die Kosten für die Stadt sänken in dem Maße, in dem Unternehmen gewonnen werden könnten, die die Mooswände als Werbeflächen nutzten, erklärt Lutz.
Die Wände helfen, die Richtlinien der EU einzuhalten. „Die Kommunen mit Grenzüberschreitungen müssen einen Luftreinhalteplan erstellen, und in diesem müssen auch Maßnahmen benannt werden, die zu einer verbesserten Luftqualität führen“, erklärt Stephan Nordmann vom Umweltbundesamt in Berlin.
Zu den Unternehmen, die einen City Tree gekauft haben, zählen die AOK Jena und der Entwickler von Einkaufszentren ECE Projektmanagement. Das Energieversorgungsunternehmen Badenova hat einen City Tree für die Stadt Lörrach finanziert. „Eine solche Innovation passt zu unserem Engagement in der Region“, sagt Unternehmenssprecher Roland Weis. Für die Mooswand gibt das Unternehmen inklusive Wartung rund 30000 Euro aus. Die Unternehmensfarben und das Logo sind auf den Rändern sichtbar. Auch die Immobilienbranche gehört zu den Kunden von Green City Solutions. Durch den City Tree könnten Immobilien aufgewertet werden, sagt Honus.
Die Mooswände stehen unter anderem in Hamburg, Berlin, Essen, London, Paris und Hongkong. Es gebe inzwischen eine mittlere zweistellige Zahl, heißt es vom Unternehmen. Für verschiedene Luftschadstoffe seien verschiedene Moose am effektivsten, erklärt Honus. Deshalb wird der City Tree an seine Umgebung angepasst. Die digitale Technik versorgt die Moose und hält sie am Leben. „Die Sensoren schauen, wie es den Moosen geht“ , erläutert Honus. Mit ihrer Hilfe rechnen Computer aus, was den Moosen fehlt. Bei Bedarf veranlasst die Steuerungstechnik, dass Wasser und andere Nährstoffe hinzugefügt werden.
Die Wartung und Pflege übernehmen Subunternehmer oder das Unternehmen selbst. „Die Anlage meldet sich, wenn etwas nachgefüllt werden muss“, sagt Honus. Normalerweise versorgt sich der City Tree aber durch eine vollautomatisierte Bewässerungsanlage inklusive Tank selbst. Die Energie für seinen Betrieb wird durch Solarpaneele erzeugt. Eine weitere Besonderheit ist die Fernwartung; dafür werden Softwareupdates auf den City Tree aufgespielt. „Die Mooskulturen haben, wenn sie richtig überwacht und versorgt werden, eine Lebenserwartung von mindestens 25 Jahren“, sagt Honus. Die Mooswand gibt es zum einen mit einem Fußteil und einer Sitzbank; dann wird eine Standfläche von 3,5 Quadratmetern beansprucht. Zum anderen kann man eine im Boden verankerte Wand erwerben, die weniger als einen Quadratmeter Standfläche benötigt. Man kann den City Tree erweitern, zum Beispiel durch einen W-Lan-Hotspot, einen Vandalismusschutz oder eine E-Fahrrad-Ladestation. Durch die Integration von Bildschirmen fungieren die Wände als Werbefläche. Der Preis für eine Mooswand liegt je nach Ausstattung zwischen 25000 und 50000 Euro. Die Wartungskosten belaufen sich auf rund 2500 Euro im Jahr. Der City Tree kann auch für 1250 Euro im Monat für mindestes vier Jahre inklusive Wartung gemietet werden.
In der Herstellung sind Subunternehmer für einzelne Teile wie das Tragwerk und die Verkleidung und auch für die Moose zuständig. Nach Honus’ Angaben erwirtschaftete man im vergangenen Jahr einen Umsatz im sechsstelligen Bereich. Für das laufende Jahr rechnen die Unternehmer mit einem Sprung über die Millionengrenze. Honus beschreibt die Nachfrage als stark steigend. Man beschäftigt rund dreißig Mitarbeiter aus 15 Nationen.
Es braucht etwa acht Wochen, bis ein City Tree in einer Stadt steht. „Das hat damit zu tun, dass die Komponenten an unterschiedlichen Standorten gefertigt werden“, erklärt Honus. Die Teile werden dann am Aufstellort zusammengesetzt. Den genauen Wirkungsradius kann man nicht bestimmen. „Das kommt stark auf den Luftstrom an, und der hängt von Zufallsereignissen wie dem Wetter ab“, sagt Honus. Seit Mai gibt es aber eine neue Version, in der die Luft unabhängig vom Wetter angesaugt, gefiltert und dann wieder in die Umgebung entlassen wird. Zu Testzwecken steht die erste Anlage mit einer aktiven Ventilation im italienischen Modena, finanziert von der EU. Der City Tree sorgt zudem für Abkühlung. „Die Oberflächentemperatur der Grünfläche des City Trees ist um 17 Grad geringer als die Temperatur, die ein Platz hätte, der mit Steinen ausgelegt ist“, erläutert Honus.
Es gibt noch einige andere Maßnahmen, mit denen sich die Kommunen vor einer verschmutzten Luft schützen können. „Sinnvolle Maßnahmen sind alle die, die an den Hauptemissionsquellen ansetzen“, erklärt Nordmann vom Umweltbundesamt. Schon kleinere Veränderungen könnten große Wirkungen erzielen. „Es kann sein, dass eine grüne Welle bei der Ampelschaltphase zu einer verbesserten Luftqualität führt“, sagt Nordmann.
Jens Clausen vom wissenschaftlichen Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit sieht einen weiteren Effekt, den der City Tree auf die Bevölkerung haben kann. Die Schadstoffe in der Luft könne man nicht sehen. Die Mooswände verdeutlichten hingegen, wie präsent die Luftverschmutzung sei.