Im Jahr 1993 fand im unterfränkischen Schweinfurt erstmals ein Festival unter dem "Honky Tonk"-Banner statt. Die Idee, dass sich eine Innenstadt für einen Tag zu einem Festivalgelände verwandelt und in Pubs, Restaurants, Bars und Clubs Musiker auftreten, stammt von Ralf Hofmann und Dominik Brähler. Sie sind Geschäftsführer und Gründer der Blues Agency GmbH.
Neben Schweinfurt gibt es eine Niederlassung in Leipzig. Zu Beginn lockten in Schweinfurt 14 Bands in 13 Locations rund 1800 Besucher an. 1995 waren es dann mehr als 5000 Besucher und 1998 gut 10 000. Der erste Ableger fand 1994 in Leipzig statt. Kurz vor der Jahrtausendwende vermeldete Leipzig Besucherzahlen jenseits der 40 000. Zu dieser Zeit war laut Hofmann auch der Höhepunkt des Honky Tonk; man expandierte nach Österreich und in die Schweiz. Für diesen Herbst und das Frühjahr 2019 sind rund vierzig Festivals angekündigt, die meisten in ganz Deutschland und einige in den beiden Nachbarländern.
In den Zweitausenderjahren war die Resonanz etwas zurückgegangen. "Es gibt Veränderungen beim Ausgehverhalten. Die Menschen gehen immer später aus. Außerdem hat sich das Angebot der Freizeitgestaltung vervielfacht", erklärt Hofmann. "Dass wir allerdings, im Gegensatz zu vielen Mitbewerbern, auf diese Veränderungen reagieren können, liegt vor allem daran, dass wir im engen Dialog mit den Gastronomen stehen, denn der Gastronom kennt seine Gäste und hilft, ein gästeorientiertes Programm zu schaffen." Hofmann und Brähler beschäftigen fünf weitere Mitarbeiter und viele freie Mitarbeiter. "Honky Tonk" bezeichnet in Amerika sowohl eine Kneipe mit Live-Musik als auch eine Musikrichtung, die Musik mit bewusst verstimmten Instrumenten interpretiert. Die Gründer kannten diese Bedeutungen zunächst nicht. Für sie war es eine Anspielung auf einen Song der Rolling Stones.
"Die Bands müssen qualitativ gut sein und vor allem auch publikumsbezogen", erklärt Hofmann. Dabei kann die Blues Agency GmbH auf mehr als 2500 Künstler zurückgreifen. "Die zugkräftigen Genres wechseln sehr häufig. Mal hatte man einen Salsahype, dann waren wieder Genres wie Schlager oder Folk sehr gefragt. Nach wie vor ist aber die Mischung das Besondere der Events", erklärt Mitgründer Dominik Brähler. Der Blues hat laut Brähler inzwischen keinen so großen Stellenwert mehr. Das liegt seiner Meinung nach am "Aussterben" prägender Gestalten wie John Lee Hooker und B.B. King.
Auch Acts aus der Region sind wesentlicher Bestandteil der Veranstaltungen. In Schweinfurt genießen beispielsweise "Mad Bob" oder "Matze Rossi" wegen der langen Zusammenarbeit gewisse Privilegien bei der Zuordnung der Location. Insgesamt eine wichtige Rolle spielt die Leipziger Coverband "Four Roses". Laut Bandmitglied Thomas Rosanski arbeitet man schon seit 1998 mit der Blues Agency zusammen. "Bis jetzt haben wir noch keine Panne erlebt. Auch die Verlässlichkeit der Gagen ist sehr lobenswert, was alles andere als selbstverständlich ist", sagt Rosanski. Ihm gefällt noch mehr: "Da sozusagen die ganze Stadt auf den Beinen ist, sind alle Besucher von Anfang an gut drauf. Das ist sehr hilfreich." Einige bekannte Namen der Branche traten vor ihrem Durchbruch auf den Honky-Tonk-Festivals auf, zum Beispiel der Braunschweiger Singer-Songwriter Bosse und der Rapper Marteria.
Die Organisation einer Veranstaltung ist laut Hofmann sehr aufwendig. Das Produktionsvolumen für die Veranstaltung in Schweinfurt beträgt 150 000 Euro. Dabei muss ein mittlerer vierstelliger Betrag für die Musikrechte bezahlt werden. Hinzu kommen Kosten für Reinigungsunternehmen, Werbung, rund 100 Sicherheitskräfte, ein aus zehn Personen bestehendes Logistik-Team und die Gage für Künstler und Bands. Die Haupteinnahmequelle ist der Eintritt; eine Karte kostet etwas mehr als 10 Euro.
Der Jahresumsatz liegt nach eigenen Angaben zwischen 1,6 und 1,7 Millionen Euro, verteilt auf die beiden Standorte. Die Blues Agency hat noch einen Geschäftsbereich: Man plant für Unternehmen unter anderem Marketingveranstaltungen oder große Jubiläumsfeiern. In der Schweinfurter Niederlassung generieren nach Angaben des Geschäftsführers die Honky-Tonk-Festivals aber immer noch etwa 30 Prozent des Umsatzes.
Den wirtschaftlichen Erfolg gefährden kann das Wetter. Es ließ zum Beispiel das Schweinfurter Honky Tonk im Juli 2017 zu einer "finanziellen Katastrophe" werden, wie Hofmann sagt. Als der Wetterbericht konkreter wurde, brachen die Ticketverkäufe ein. Statt der kalkulierten 10 000 Besucher kam nur gut die Hälfte.
Als Konkurrenten nennt Hofmann die Mikado Veranstaltungs- und Servicegesellschaft mbH aus dem Großraum Würzburg. Diese organisiert in Augsburg ebenfalls ein Honky-Tonk-Event. Das Namensrecht hat der Sponsor der Veranstaltung von der Blues Agency erworben. Hinzu kommen laut Hofmann kleine, regionale Organisatoren, die das Konzept des Kneipenfestivals adaptiert hätten, aber keine wirkliche Konkurrenz darstellten.
Eine Expansion plant Hofmann nicht. Er beschreibt den Aufwand als zu groß und das Risiko als zu hoch. Auf die Frage, wann Hofmann, der noch als Kommunalpolitiker aktiv ist, seinen Ruhestand anstrebt, antwortet er: "Ich kann mir vorstellen, zu arbeiten, bis ich ins Grab falle."