Ein Textilunternehmen, das in Deutschland produziert, das Langzeitarbeitslosen Arbeit gibt, ihnen überdurchschnittliche Löhne zahlt und das wächst – dass dies möglich ist, beweist die Manomama GmbH in Augsburg, das nach eigenen Angaben erste Sozialunternehmen der Textilindustrie in Deutschland. In Sina Trinkwalders Verständnis, der Inhaberin und Geschäftsführerin von Manomama, zeichnet sich ein Sozialunternehmen dadurch aus, dass nicht die Gewinnmaximierung im Vordergrund stehe, sondern der Mensch. Sie möchte Menschen, denen „sonst niemand eine echte Chance einräumt“, Sinn, Sicherheit und Wertschätzung geben.
Trinkwalder gründete das Unternehmen 2010. Bis dahin hatte sie mit ihrem Mann eine Werbeagentur geführt. Die Initialzündung für die Gründung von Manomama sei ein Erlebnis mit einem Obdachlosen gewesen, erzählt Trinkwalder. Beim Warten auf ihren Zug habe sie in einem Hochglanzmagazin geblättert und es dann weggeworfen. Kurz darauf fischte ein Obdachloser dieses Magazin aus dem Papierkorb. Sie habe neugierig nach dem Grund seines Interesses an der Zeitschrift gefragt. Er war nur an den glitzernden Umschlagseiten interessiert, weil er und seine auch obdachlose Frau daraus Weihnachtsschmuck bastelten. Diese Begegnung habe sie nach dem Sinn ihrer Arbeit fragen lassen: „Ich helfe dabei, dass sich Menschen stets das neueste Elektrogerät anschaffen, obwohl das alte noch gut ist.“ So entschloss sie sich, in Augsburg, der Stadt, die ehemals eine europäische Textilmetropole war, eine Näherei aufzumachen und Näherinnen Arbeitsplätze zu verschaffen. Der Firmenname habe symbolische Bedeutung. „Wir wollen Menschen, die es schwer haben, wieder in Arbeit bringen. In erster Linie sind das Frauen, Mütter, die durch das Raster fallen. Ergo: Mano und Mama. Aus der Hand der Mama.“
Trinkwalder kaufte mit einem Startkapital von 200000 Euro Maschinen. An ihnen werden Einzelstücke auf der Grundlage von Basisteilen nach individuellen Kundenwünschen „on demand“ hergestellt. Um die Kosten gering zu halten, verkauft das Unternehmen nur über das Internet, zum Beispiel ein Tanktop für rund 17 Euro, eine Jeans für 80 Euro und einen Parka für 250 Euro. Um ihr Projekt bekanntzumachen, tritt die Gründerin auch in Talkshows auf und hält Vorträge an Universitäten. Außerdem bekam sie 2014 eine eigene Fernsehsendung auf RTL, die Doku-Soap „Made in Germany. Wir können’s selbst am besten“.
„Wir verwenden nur kontrolliert ökologische und kompostierbare Rohstoffe, die wir vom nächstgelegenen Produzenten beziehen“, sagt Trinkwalder. Zunächst kam die Biobaumwolle für Hosen aus der Türkei, ist aber seit Ende 2014 durch Hanf und Brennnesseln aus der Region ersetzt worden. Die Retourenquote liegt nach eigenen Angaben bei null Prozent. Dies liege auch daran, dass es „Manomamas“ und „Manopapas“ gebe, die auf Wunsch zu den Kunden kommen und beim Maßnehmen helfen. Dafür bekämen sie 20Prozent des Verkaufsumsatzes.
Anfang 2012 bekam Manomama den Großauftrag von der Drogeriekette dm, jährlich eine Million Stofftaschen zu produzieren. Mit ihrem Mann investierte Trinkwalder mehr als 1 Million Euro, setzte ihre Altersversorgung und das Erbe ihres Schwiegervaters ein, durch Crowdfunding kamen weitere 25000 Euro zusammen, durch Maschinenpaten 55000 Euro. Für dm hat Manomama bisher mehr als 8 Millionen Stofftaschen gefertigt. Die bunten Taschen sind das am meisten verkaufte Produkt. Etwa die Hälfte der Arbeitsplätze bei Manomama hänge an der Taschenproduktion. Mittlerweile werden die Handelsketten Edeka und Real mit der Jeans „Augschburgdenim“ beliefert. Für Real produziert Manomama auch eine Unterwäschekollektion.
Aus den anfangs drei Mitarbeitern sind mehr als 300 geworden. Sie sind Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende, Schulabbrecher, Ungelernte, Migranten und Gehandicapte. Sie bekommen unbefristete Arbeitsverträge und mit mindestens 10Euro in der Stunde Löhne über dem Branchendurchschnitt. Individuelle Arbeitszeiten werden vereinbart, gearbeitet wird nach selbstgewähltem Tempo. Die Quote der erfolgreich integrierten Mitarbeiter liege bei 90 Prozent, betont Trinkwalder. In einem Projekt mit dem Arbeitsamt Augsburg sei es gelungen, von zwanzig Langzeitarbeitslosen 17 dauerhaft zu beschäftigen. Eine 52 Jahre alte Damenschneiderin, die unzählige Arbeitsamtmaßnahmen durchlaufen hat, näht nun von morgens bis abends: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch so belastbar bin“, sagt sie. Sie sei „unendlich dankbar“ für diese Chance.
Jede Mitarbeiterin bekommt mindestens 10 Euro die Stunde, egal wie oder wo sie arbeitet. Die Belegschaft habe sich eine Bonusvergütung gewünscht, sagt Trinkwalder. Wer mehr oder schneller arbeite, verdiene mehr, das könnten 30Euro in der Stunde sein. Dies habe zu einer Steigerung der Produktivität um 30Prozent geführt. Der Umsatz lag 2014 nach Angaben der Geschäftsführerin bei 9 Millionen Euro, Tendenz steigend.