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Biertrinker sind Lokal-Patrioten

Das Bamberger Unternehmen Kaspar Schulz stattet Erlebnisbrauereien aus und kennt die Vorlieben von Biertrinkern auf der ganzen Welt

F.A.Z.

2.04.2015

Timo Jakob

Arnold-Gymnasium, Neustadt bei Coburg

Was haben das Drossenfelder Bräuwerck in Neudrossenfeld bei Bayreuth und die Gartenrast in Radenthein in Kärnten mit dem Restaurante Doña Clotilda in Barcelona und der Micro Cervejaria Bamberg im brasilianischen Votorantim gemein? Sie alle sind Kunden des ältesten Industriebetriebs in der oberfränkischen Weltkulturerbestadt Bamberg, der Kaspar Schulz Brauereimaschinenfabrik & Apparatebauanstalt e.K., die sich auf die Ausstattung von Gasthausbrauereien spezialisiert hat. Die Auftragsbücher des in zehnter Generation geführten Familienunternehmens sprechen dem Brauereiensterben hohn – und unterstreichen die Beliebtheit von regionalen und lokalen Hopfensäften.

In Bamberg, der „Hauptstadt“ des individuellen Biers – in Oberfranken gibt es, historisch gewachsen, die höchste Brauereidichte der Welt –, fertigt Kaspar Schulz alles, was zum Brauen hochwertiger Biere gebraucht wird, für eine Regionalbrauerei im französischen La Rochelle genauso wie für eine Microbrauerei in einer brasilianischen Agrarkooperative. Stolz ist man auf die hundertprozentige Eigenfertigung. Sie ermögliche eine große Flexibilität in der Produktion, so dass Anlagen an spezielle Gegebenheiten angepasst werden könnten.

Nach Angaben von Inhaber Johannes Schulz-Hess ist man mit gut 400 Brauereien Marktführer. „Unser Alleinstellungsmerkmal ist die zu 100 Prozent eigene Fertigung. Wir verzichten bewusst auf Outsourcing und Komponentenzukauf. Ausschließlich unsere eigenen Mitarbeiter montieren, warten und reparieren unsere Anlagen.“ Viel Wert legt man auch auf die Ästhetik, ob klassisch mit einer Kupferverkleidung oder modern aus Edelstahl. Man biete Lösungen für jede Gaststätte. „Ob Traditionsbier oder trendiges Craft Brewing, ob nostalgische Bierstubengemütlichkeit oder angesagte Hipster-Schankstelle, die zur Brauerei stimmig passende Innenarchitektur liefern wir gleich mit.“

Alle Anlagen werden nach Kundenwunsch konzipiert. Dann geht es an das Zuschneiden des Rohmaterials, das Biegen der Bleche und die Montage der Komponenten. Die Preise für Gasthausbrauereien beginnen bei rund 150000 Euro für die einfachste Ausstattungsstufe. Den Individualisierungswünschen der Anwender sind mit Blick auf Material, Zubehör oder Ablaufautomatisierung allenfalls finanzielle Grenzen gesetzt. Die Jahreskapazität der Anlagen beträgt zwischen 500 und 2000 Hektoliter Bier.

Das Geschäft mit Erlebnisbrauereien profitiert vom Trend zum Regionalen und Individuellen. Die Gäste erleben das Brauen des Bieres, das dann vor ihnen steht, unmittelbar. „Erlebnis- und Gasthausbrauereien machen rund die Hälfte unserer Produktion aus. Mehr als 400 unterschiedliche Anlagen haben wir seit 1998 in 64 Länder rund um den Globus geliefert.“ Im Jahr 2014 habe man 21 Anlagen verkauft; die Exportquote liege bei etwa 80 Prozent, da der deutsche Markt gesättigt sei. Dagegen sei die Nachfrage aus Ländern mit einer geringen Biervielfalt wie der Schweiz und Brasilien hoch. „Die Abnehmer dieser Art von Brauereien haben vor allem genussorientierte Gäste, die Handwerkskunst und Kreativität zu schätzen wissen und diese auch im Gasthaus erwarten.“

1677 gründete Christian Schulz das Familienunternehmen, es war eine Kupferschmiede, die hauptsächlich Alltags- und Haushaltsgegenstände fertigte. Den größten Auftrag – und einen der wichtigsten – erhielt das Unternehmen 1767: Die vier Türme des Bamberger Doms waren neu in Kupfer zu decken. Nachdem durch die Industrialisierung die Fertigung von Alltagsgegenständen wegfiel, spezialisierte sich das Unternehmen unter Kaspar Schulz Ende des 19. Jahrhunderts ausschließlich auf die Herstellung von Brauereianlagen. Der große Durchbruch im Exportgeschäft gelang in den achtziger Jahren mit der Entwicklung der Erlebnisbrauereien und der Entwicklung von computergesteuerter Technik für den Brauprozess. Die Erlebnisbrauereien hätten nach dem großen Brauereisterben einen Gegentrend ausgelöst und in vielen Regionen eine neue Biervielfalt verankert. Eine wichtige Innovation der jüngeren Vergangenheit war die Entwicklung eines neuen Verfahrens zum Würzekochen. Das sogenannte Schonkochverfahren ermöglicht es den Brauereien, beim Würzekochen rund 60 Prozent der bisher erforderlichen Primärenergie einzusparen – bei einer zugleich erheblich verbesserten Würzequalität.

Mit der Erweiterung der Produktionsfläche von 3500 auf 5500 Quadratmeter hat Kaspar Schulz 2014 auf den kontinuierlich steigenden Bedarf an regionalen Craft-Brauereien reagiert. Derzeit sind im Unternehmen etwa 140 Mitarbeiter beschäftigt, davon 100 in der Fertigung. Die steigenden Verkaufszahlen ließen auch den Umsatz seit 2007 permanent wachsen. 2014 erzielte das Unternehmen einen Erlös von gut 15 Millionen Euro.

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