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Alles gestrichen voll haben

Der Kunstsupermarkt verkauft in ungewöhnlicher Atmosphäre Bilder für wenig Geld.

F.A.Z.

2.03.2017

Hannah Kraus

Internat Schloss Hansenberg, Geisenheim

„Kunst erschwinglich machen“ lautete das Motto des 18. Kunstsupermarkts, der vor und nach Weihnachten in Frankfurt stattfand. In langen Regalreihen versteckten sich bezahlbare Kunstwerke von etwa hundert Künstlern; sie kosteten zwischen 60 und 330 Euro. Die Bilder wurden in Supermarktatmosphäre angeboten: Sie hingen bis zur Decke und reihten sich in Schubfächern aneinander. Vor jedem Fach hing der Steckbrief eines Künstlers – wie Etiketten mit Inhaltsstoffen von Lebensmitteln.

„Das Ganze war zuerst als Experiment gedacht“, erzählt Julia Loytved, die im Jahr 1998 zusammen mit Mario Terés den Kunstsupermarkt in Marburg gründete. Ein Jahr später kam die Filiale in Frankfurt dazu. Es folgten Berlin, Sylt und 2013 Hamburg. Die Idee, Kunst zu verkaufen, die sich jeder leisten kann, kam ihnen bei ihrer Arbeit. Terés ist Kunsthistoriker und hatte schon viele Ausstellungen in Galerien organisiert, ebenso wie Loytved, die Ethnologin ist. Auf Vernissagen seien die Menschen begeistert von Kunst, doch sei sie oft zu teuer, und die Bilder blieben in den Galerien. „Es muss doch nicht gleich jeder Strich 3000 Euro kosten“, findet Loytved.

Mit sechs festen Mitarbeitern verwaltet das Team jedes Jahr die zwei ganzjährigen Kunstsupermärkte auf Sylt und in Marburg sowie die saisonalen Ausstellungen. Je Saison helfen in jeder Filiale zwei bis drei Mitarbeiter aus, um die 30 000 Besucher in Deutschland zu bedienen. Im Kunstsupermarkt werden keine eigenen Bilder verkauft. Das Handwerk der Mitarbeiter ist das Aufhängen von Bildern. Kurios ist, dass Terés einmal je Saison gefragt wird, ob wirklich alle Bilder von ihm gemalt seien. Vor jeder Saison werden die 20 000 Kunden, die nach dem Einkauf eine Adresse hinterlassen haben, über einen Flyer informiert. In Deutschland verkauft man in einer Saison nach eigenen Angaben rund 8 500 Bilder, von denen nur 2 bis 5 Prozent teurer als 330 Euro seien. Auch über einen Online-Shop können Bilder erworben werden. 2015 lag der Umsatz nach eigenen Angaben bei rund einer Million Euro.

Die meisten Künstler sind schon lange dabei, doch die Vielfalt wächst stetig. Jedes Jahr werden aus etwa 300 Bewerbungen zwei bis fünf neue Künstler aufgenommen. „Das Ziel ist es, für jeden Geschmack etwas dabeizuhaben“, sagt Loytved. Und so reichen die Stile von klassischer Landschaftsmalerei und abstrakter Moderne über Expressionismus und Kubismus bis zu Comic-Stilen.

„Wir sehen Galerien nicht als Konkurrenz, aber die sehen uns als Konkurrenz“, behauptet Loytved. Der Kunstsupermarkt rege Menschen zum Kauf an, die sonst in keine Galerie gingen. Inzwischen ist man auch im Ausland vertreten, mit einer Filiale in Solothurn in der Schweiz und einer in Wien. Eine Filiale in China ist in Planung.

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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