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Alle sitzen im gleichen Boot

Ein früherer portugiesischer Champion produziert Weltklassekajaks.

F.A.Z.

1.11.2018

Tomás Franco

Deutsche Schule zu Porto, Porto

Drei Viertel aller möglichen Medaillen in der Bootsgattung Kajak bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 – das war besonders: „27 der 36 möglichen Medaillen im Kanusprint wurden in einem Kajak gewonnen, das von Nelo produziert wurde“, erklärt Manuel Ramos, dessen Spitzname Nelo ist. Er war der erste portugiesische Nationalchampion in zwei Kanurennsportklassen und hat 1978 M.A.R. Kayaks Lda. mit der Marke Nelo gegründet. Sitz des Unternehmens ist das portugiesische Vila do Conde, 30 Kilometer nördlich von Porto.

Man sei Weltmarktführer in der Herstellung von Kajaks im Leistungssport mit einem Marktanteil von rund 70 Prozent, sagt Ramos. „Heute beschäftigen wir 160 Mitarbeiter und produzieren jährlich etwa 4000 Kajaks für Spitzensportler, unter ihnen viele Teilnehmer und Sieger von Olympischen Spielen.“ Man verkaufe in mehr als siebzig Länder. Wettbewerber sind Plastex aus Polen, FES aus Deutschland und Vajda aus der Slowakei. Das Unternehmen erwirtschaftet einen Jahresumsatz von rund 6,5 Millionen Euro.

Ramos nahm als einer der ersten Portugiesen im Kanusprint an einer Weltmeisterschaft teil. Mit 16Jahren baute er Boote zum Eigengebrauch und als Einnahmequelle für seinen Klub. Nach der Gründung seines Unternehmens produzierte er Kajaks für lokale Athleten und bot sie zu relativ niedrigen Preisen an. „Morgens studierte ich, am Nachmittag arbeitete ich an den Kajaks und nahm an Wettbewerben teil“, erzählt Ramos. Er machte sich auf die Suche nach einem anspruchsvolleren Markt und ging nach Großbritannien. Damit wollte er sich zwingen, die Qualität seiner Kajaks zu erhöhen.

Im August 2017 zog das Unternehmen in eine rund 20000 Quadratmeter große Fabrik um. „Jede Person, die die Produktion von Kajaks näher kennenlernen möchte, darf jederzeit die Fabrik besichtigen“, sagt Ramos. Schon im Eingangsbereich kann man durch drei große Fenster in die tiefe, helle und offene Halle blicken.

Ramos geht mit dem Besucher ins höhere Stockwerk, in einen offenen, natürlich beleuchteten Raum mit einigen Schreibtischen. Wo aber befindet sich das Arbeitszimmer des Chefs? Vorrechte hat Ramos kaum, vielleicht einen bequemeren Stuhl. Alle Mitarbeiter tragen T-Shirts, Sweatshirts oder höchstens ein Polohemd. „Anzug und Krawatte? In diesem Unternehmen sind sie verboten“, sagt Ramos und lächelt.

Heute bietet man neben Kajaks auch Kanus an. Ein Kajak kostet zwischen 1500 und 3000 Euro. Bei der Entwicklung eines neuen Modells werden zuerst die Formen am Computer gezeichnet, eine für den unteren und eine für den oberen Teil des Kajaks. Anschließend wird die Aufzeichnung auf eine Maschine in der Fabrik übertragen, die die gewünschte Form aus einem Block ausschneidet. An sie befestigt ein Mitarbeiter mit Hilfe von Epoxidharz verschiedene Schichten aus Kunststoff, die mit widerstandsfähigen Verbundwerkstoffen verstärkt sind. Das „rohe“, aufgeschichtete Kajak wird dann in einem Ofen gebacken. Die beiden festen Teile werden aus der Form entfernt und zusammengeklebt.

„Beim letzten Modell mussten wir mehr als dreißig Entwürfe herstellen“, erzählt Ramos. Nelo ermöglicht seinen Kunden, die Kajaks zu testen, vor allem in Portugal, aber auch in Norwegen, Ungarn und der Schweiz. „In unseren Testzentren können die Kunden die Kajaks zum Beispiel auf Geschwindigkeit und Komfort testen“, erklärt Ramos. Die Kajaks würden so stark personalisiert wie möglich.

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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