Eine Horrorvorstellung: Man stellt sein Fahrrad ab, schließt es mit einem extra sicheren Kettenschloss an, und dennoch ist es bei der Rückkehr verschwunden. Die Kette wurde durchtrennt oder das Schloss aufgebrochen. Nach Angaben von fahrradschloss-tests.de weiß man von jährlich etwa 300000 Fahrraddiebstählen in Deutschland. Wenn es nach den drei Erfinderinnen Alexandra Baum, Katja Käseberg und Suse Brand geht, soll sich das ändern. Sie haben Tex-Lock entwickelt.
Tex-Lock ist ein mehrlagiges Seil aus Hightech-Fasern, die feuer-, schnitt- und zugfest sind. Das Gewicht beträgt gerade mal 350 Gramm je Meter. Durch den Gebrauch von Textilfäden ist das Seil leicht und biegsam. Äußerlich ähnelt das Tex-Lock einem handelsüblichen Seil, das man mit wenig Aufwand mit einer Schere auftrennen kann; doch der Eindruck täuscht. Durch Materialien, die auch in der Automobil- und Raumfahrtindustrie Anwendung finden, ist Tex-Lock resistent gegen Angriffe mit Feuer, Schnitt- und Schlagwerkzeugen.
Jede Faser des Mehrlagengeflechts erfüllt eine bestimmte Funktion: „Während die obere Faserschicht nur der Optik dient, fungiert eine weitere als Schnittschutz gegen Bolzenschneider und anderes Diebesgerät. Eine dritte Schicht sorgt für mechanische Stabilität, während eine weitere Lage wiederum für die Hitzeresistenz zuständig ist“, erklären die Erfinderinnen. Verschiedenen Härtetests mit Bolzenschneidern und Bunsenbrennern habe das Produkt widerstanden.
Die Entwicklung von Tex-Lock dauerte zwei Jahre. Mitte 2016 war der Prototyp fertig, und das System wurde weltweit zum Patent angemeldet. Durch Crowdfunding kamen fast 280 000 Euro zusammen, „mehr als das Fünffache des geplanten Betrags“. Auf der Internetseite lässt sich jedes Tex-Lock nach eigenen Wünschen konfigurieren. Die Preise beginnen bei 89 Euro. Bisher sind nach eigenen Angaben rund 5000 Stück vorbestellt worden. Mit der Auslieferung wird im Januar begonnen. Von März an ist Tex-Lock in Geschäften erhältlich.
Einen Vorteil des neuen Produkts sehen die Erfinderinnen auch darin, dass die Seile zusammengefaltet werden können. Viele konventionelle Schlösser lassen sich hingegen oft schlecht verstauen. Sie planen weitere Produktvarianten. So könnte Tex-Lock auch Outdoor-Equipment, zum Beispiel Boote, sichern. Es gibt nach Angaben von Alexandra Baum auch die Idee, Elektronik in das Seil zu integrieren und so zum Beispiel Funkalarm gegen Diebstahlversuche zu integrieren.
Die Gründung der Texlock GmbH in Leipzig erfolgte unter anderem durch die Nutzung von Spin Lab. Das ist ein Unterstützungsprogramm für innovative, technologieorientierte Start-ups. In einem sechsmonatigen Programm auf dem Gelände der Leipzig Baumwollspinnerei können die Unternehmen ein modern ausgestattetes Co-Working-Büro nutzen und erhalten Zugang zu Technologien von Partnern. Es gibt Unterstützung durch Mentoren, es finden Workshops zu betriebswirtschaftlichen, rechtlichen und technischen Themen statt. Spin Lab verfügt über ein Netzwerk zu Investoren und etablierten Unternehmen. Um mit der Produktion beginnen zu können, bekamen die Gründerinnen von einem sächsischen Investor ein Nachrangdarlehen über 500 000 Euro. Für 2018 erwarten sie einen Umsatz von 600 000 Euro.